Leere Gemäuer verfallen schneller: Dr. André Dollase und Johannes Braun entwickelten deshalb ein Messsystem, um Raum- und Gebäudeklima zu überwachen
In großen Städten wird es immer enger, während es in vielen ländlichen Regionen immer leerer wird. Das gilt auch für die Schwarmstadt Leipzig und ihr Umland. Beispielsweise hat der Landkreis Nordsachsen seit dem Jahr 2000 rund 14 Prozent seiner Bevölkerung verloren. Viele Gebäude stehen leer. Immobilienfachleute prognostizieren, dass in ein paar Jahren auch das Leipziger Umland vom Boom der Großstadt profitieren könnte – aber bis dahin müssen zahlreiche unbewohnte Häuser vor dem Verfall bewahrt werden.
Wasserschaden in unbewohntem Haus
So auch ein unscheinbares Einfamilienhaus am Rand der Dübener Heide, das die beiden Ingenieure Dr. André Dollase und Johannes Braun von der Nachwuchsforschungsgruppe DemoS 2019 besuchten. Ihr Ziel: einen Wasserschaden im Keller verursachen – und dabei testen, ob ihr neu entwickeltes Monitoring-System für Feuchteschäden funktioniert. „Alles natürlich mit dem Besitzer abgesprochen – und ohne die Bausubstanz zu schädigen. Nach dem Versuch haben wir das Gemäuer wieder fachgerecht getrocknet“, versichert Bauingenieur Dollase.
Der Eigentümer des Hauses wohnt im rund 35 Kilometer entfernten Leipzig und hat das Haus geerbt. Seit Jahren findet er für die Immobilie weder eine Käuferin noch einen Mieter – aber selbst zurück aufs Land ziehen, das will er auch nicht. Also versucht er, das Haus bestmöglich zu erhalten. Doch aus der Ferne ist das gar nicht so einfach.
„Wird das Mauerwerk feucht, ist schnell die gesamte Bausubstanz gefährdet“, sagt Dollase. Zum einen könne gefrierende Nässe Risse und kleine Löcher ins Gemäuer sprengen. Zum anderen könne sich Schimmel bilden. „Unbewohnte Gebäude sind einem besonderen Risiko ausgesetzt, da sie weder geheizt noch gelüftet werden – und weil niemand mitbekommt, wenn es zu einem Rohrbruch kommt“, so Dollase. Gemeinsam mit dem Elektrotechnik-Ingenieur Johannes Braun hat er innerhalb von drei Jahren das Monitoring-System für Feuchteschäden in leerstehenden Gebäuden entwickelt.
Neues Messsystem überwacht Gebäudeklima
Etliche Stunden Programmierarbeit und zahlreiche Laborversuche gingen dem Testeinsatz in der nordsächsischen Provinz voraus. Entstanden ist dabei ein Messsystem, das kontinuierlich das Gebäudeklima überwacht. Dazu werden mehrere kleine Messeinheiten an den Kellerwänden verteilt. Jede Messeinheit registriert mithilfe von Mikrowellen die Feuchtigkeit der Kellerwand sowie zusätzlich Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit.
Übertragen werden die Daten ganz ohne Kabel, wie Johannes Braun erklärt: „Eine zentrale Steuereinheit empfängt die Messwerte per Funk und wertet sie anhand eines von uns entwickelten Algorithmus aus. Diese Auswertung wird per WLAN an ein Tablet oder einen Computer übertragen.“ Werden an einer Messeinheit kritische Grenzwerte überschritten, erhält die Hausverwaltung einen Warnhinweis. Sie kann dann Gegenmaßnahmen einleiten – ein geplatztes Rohr reparieren lassen oder einen Luftentfeuchter aufstellen. „Manchmal reicht es auch schon, zum richtigen Zeitpunkt kräftig durchzulüften“, ergänzt Dollase.
Über die beiden Nachwuchsforscher
Dr. André Dollase
(*1981) studierte Bauingenieurwesen an der HTWK Leipzig. Nach dem Studium erforschte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter, wie mit Mikrowellen das Trocknungsverhalten von frischem Beton und Estrich beurteilt werden kann. Diesen Ansatz übertrug er im Rahmen von DemoS auf die Feuchtigkeitsmessung in Altbauten. Die Ergebnisse beider Projekte flossen in seine Doktorarbeit ein. Mittlerweile arbeitet Dollase bei der Deutschen Bahn als Bauwerksprüfer und strebt eine Weiterbildung zum Sachverständigen an.
Johannes Braun
(*1989) studierte an der HTWK Leipzig im dualen Studium Elektrotechnik und Informationstechnik und machte eine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik. Anschließend studierte er im Master Wirtschaftsingenieurwesen. Nach zwei Jahren als Projektingenieur und -leiter bei einem Automatisierungsunternehmen kam er für DemoS zurück an seine Hochschule. Seine begonnene Promotion zur Funkkommunikation verschiedener Sensoren im „Smart Home“ führt er in der Arbeitsgruppe von Prof. Faouzi Derbel weiter.
Dr. André Dollase und Johannes Braun waren Mitglieder der Nachwuchsforschungsgruppe „Systemlösungen zur Gestaltung des Demografie- und Strukturwandels“ (DemoS) an der HTWK Leipzig. Das Projekt wurde durch das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst von 2016 bis 2019 mit rund 1,2 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert.
Autorin: Dr. Rebecca Schweier
Dieser Text erschien zuerst im Forschungsmagazin Einblicke 2019 der HTWK Leipzig. Hier können Sie das Magazin digital lesen oder kostenfrei abonnieren.