Die Tagesordnung des Senats wurde kurzerhand vom Rektor selbst um den Abwahlantrag ergänzt. Die Memes des StuRa wurden mit einem Beamer gezeigt, um sie dann möglichst drastisch zu interpretieren. Eine inhaltliche Diskussion über das Abwahlbegehren fand nicht statt.
Die studentischen Antragsteller*innen hatten ihren Antrag im Erweiterten Senat der HTWK eingereicht, wobei nur der Senat oder der Hochschulrat über die Einleitung eines Abwahlverfahrens entscheiden kann. Die Antragsteller*innen wurden nach dem Versand des Abwahlantrags auf Mängel im Antrag und Verfahren hingewiesen. So lautete der Antragstext: „Der erweiterte Senat möge beschließen, den Rektor (...) seines Amtes zu entheben.“ Die Formulierung stimmte so nicht, da die Abwahl beantragt werden und der Rektor nicht des Amtes enthoben werden sollte. In der Umgangssprache ähneln sich die Bedeutungen zwar, aber bei etwas so wichtigem wie diesem Antrag ist sprachliche Präzision wichtig. Daher haben die studentischen Mitglieder des Erweiterten Senats ihren Antrag zurückgezogen.
„Wir sehen unsere Fehler ein und wollen sie ausbessern. Deswegen haben wir den Antrag zurückgezogen. Wir sind keine Jurist*innen und können nicht auf ein eigenes Justiziariat zurückgreifen, wenn wir unsicher sind. Wir sind ehrenamtliche Studierende, die erkennen, dass an unserer Hochschule einiges falsch läuft. Unser Ansinnen war es, den Senator*innen mehr Zeit zur Vorbereitung über einen solch folgenreichen Antrag zu geben und einen demokratischen Prozess anzuregen, anstelle nur Vorwürfe zu erheben. Die Mitglieder der Hochschule sollen eine so wichtige Entscheidung nicht innerhalb von wenigen Tagen treffen müssen,“ sagt Mara Boege, Mitglied im Erweiterten Senat der HTWK Leipzig.
Die Prorektor*innen Prof. Mikus und Prof. Thiele reichten zusammen mit der Kanzlerin einen eigenen Abwahlantrag ein. Bevor dieser behandelt wurde hielt Prof. Mietzner eine Rede über seine Errungenschaften für die Hochschule und die angeblichen offenen Anfeindungen des StuRa. Auch in dieser Rede vermissten die anwesenden Student*innen jegliche Stellungnahme auf die inhaltlichen Kritikpunkte des Abwahlantrags.
Da dieser Tagesordnungspunkt als Personalangelegenheit behandelt wurde, musste er den Saal im Anschluss verlassen - ebenso die anwesenden Mitglieder des StuRa, welche sich somit nicht an der Diskussion beteiligen konnten. Schließlich hielten auch die weiteren Mitglieder des Rektorats nacheinander eine bereits vorbereitete Ansprache. Kernpunkt der darauffolgenden Diskussion war insbesondere die Öffentlichkeitsarbeit des StuRa. Die MEMEs wurden mittels Beamer auf eine Leinwand projiziert. Es wurde von Fremdscham gesprochen. „Nachdem unsere Studierenden und unsere Interessen über Monate hinweg an der HTWK Leipzig vom Rektorat und teils auch von anderen Entscheidungsträger*innen ignoriert wurden, macht man uns jetzt den Vorwurf, dass wir das nicht länger hinnehmen? Im Senat wurde geurteilt, dass das Vorgehen des StuRa unter der Gürtellinie sei und persönlich auf die Person Mark Mietzner abziele. Zwar versuchten wir, die Diskussion immer wieder von der Form zum Inhalt der Kritik zu lenken, jedoch fanden unsere Beweggründe dabei kein Gehör,“ erklärt Toni Nabrotzky, studentischer Senator.
Das Abstimmungsergebnis über den Abwahlantrag des Rektors fiel dabei denkbar knapp aus, auch dadurch, dass nach dem Rücktritt eines studentischen Senators dieser von der Kanzlerin nicht akzeptiert wurde und so ein Nachrücken eines neuen Senators verhindert wurde. Dennoch sei der Umgang des Rektorats mit dem studentischen Abwahlantrag zutiefst verwerflich und lasse jegliches demokratisches Verständnis vermissen. „Anstatt endlich mehr Selbstreflexion zu zeigen, veröffentlicht Mietzner kurz nach der Senatssitzung eine Pressemitteilung über den vertraulichen Tagesordnungspunkt des Senates, bei welchem er selbst nicht anwesend sein durfte. In Anbetracht eines Abwahlantrags nutzt der Rektor die Ressourcen der Hochschule für eine Lobeshymne auf sich selbst. Es ist skandalös, dass Mietzner die Hochschule, ihre öffentlichen Mittel für den Erhalt seiner eigenen Position nutzt. In dieser Erklärung wirft Mietzner ebenfalls die Frage auf, ob die studentischen Vertreter*innen überhaupt legitimiert seien, seine Abwahl zu fordern. Da sich die Abwahl des Rektors aus dem Hochschulfreiheitsgesetz ergibt, sollte die Antwort allen Senatsmitgliedern klar sein. Diese Frage stellt sich nicht und soll unseren Antrag nur delegitimieren. Ein weiterer Tiefpunkt Mietzners im Umgang mit unseren demokratischen Rechten, der die Angst des Rektors vor unserem Abwahlantrag unterstreicht und damit unser Ansinnen bestätigt,“ schlussfolgert Tjark Delfs, Referent für Hochschulpolitik des StuRa und studentischer Ersatzvertreter im Senat der HTWK Leipzig.
*frei nach Sophokles
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Der StudierendenRat (kurz: StuRa) ist die gesetzlich verankerte Interessenvertretung aller 6.400 Studierenden der HTWK Leipzig.