Der Einsturz der Autobahnbrücke in Genua (Italien) am 14. August hat grundsätzliche Fragen nach der Sicherheit von Brücken aufgeworfen. Prof. Klaus Holschemacher, Leiter des Instituts für Betonbau (IfB) an der HTWK Leipzig, gibt Antworten.
Wie sicher sind denn unsere Brücken?
Prof. Klaus Holschemacher: Brücken gehören zu den am besten überwachten Bauwerken in Deutschland überhaupt. Die Überwachungszyklen sind in einer nationalen Norm, der DIN 1076 geregelt. Danach muss im Abstand von sechs Jahren eine sehr intensive Bauwerksinspektion, die sogenannte Brückenhauptprüfung, erfolgen. Im Ergebnis der Brückenhauptprüfung wird eine Aussage zum Zustand des betreffenden Bauwerks getroffen. Sofern notwendig, werden unverzüglich Verkehrsbeschränkungen vorgenommen, zum Beispiel in Form von Geschwindigkeitsbeschränkungen, einer Reduzierung der nutzbaren Fahrbahnbreite oder durch Überquerungsverbot für Fahrzeuge ab einem bestimmten Gewicht. Im Anschluss werden dann, wenn die finanziellen Mittel bereitstehen, die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen geplant und durchgeführt. Insofern ist die Wahrscheinlichkeit für einen Brückeneinsturz in Deutschland als äußerst gering einzustufen. Das gilt übrigens nicht nur für Straßenbrücken sondern auch für Bahnbrücken. Auch die Bauweise spielt dabei keine Rolle, da die Sicherheitsanforderungen für Stahl-, Stahlbeton-, Spannbetonbrücken usw. gleich sind.
Was müssen Brücken aushalten?
Prof. Klaus Holschemacher: Brücken werden für einen Nutzungszeitraum von 100 Jahren geplant. Das schließt eine länger andauernde Nutzung nicht aus. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass auf die mit zunehmendem Bauwerksalter unvermeidlichen Änderungen der Baustoffeigenschaften rechtzeitig reagiert und, sofern erforderlich, entsprechende Sanierungsmaßnahmen eingeleitet werden. Hinzu kommt, dass die auf die Brücken einwirkenden Lasten durch die Zunahme des Schwerlastverkehrs in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen sind. Deshalb werden auch die für Brücken zu beachtenden Einwirkungsnormen regelmäßig überarbeitet, um dieser Situation Rechnung zu tragen. Auch bei bereits vorhandenen Brücken wird nachgerechnet, ob sie den gestiegenen Lasten standhalten können.
In der Leipziger Volkszeitung vom 15.8. wird ein Dozent der Universität für Ingenieurwissenschaften Genua mit den Worten zitiert: „Das Ingenieurswesen ist beim Ponte Morandi gescheitert.“ Sehen Sie das auch so?
Prof. Klaus Holschemacher: Es wäre nicht seriös, wenn ich mich ohne Kenntnis der Ursachen des Brückeneinsturzes dazu äußern würde. Ich sehe in unserer Region ein ganz anderes Problem. Brückenprüfungen, Planungen und Bauarbeiten müssen ja am Ende von jemandem durchgeführt werden. Wir haben aber derzeit einen dramatischen Mangel an Baufacharbeitern und Bauingenieuren zu verzeichnen. Zumindest im akademischen Bereich, also bei der Ausbildung von Bauingenieuren, wird an der HTWK Leipzig ja etwas dagegen getan. Allerdings können auch wir mit unseren Absolventenzahlen den Bedarf der Wirtschaft im Moment bei Weitem nicht decken.