In den Straßenbahnen wabert glühweinschwangere Luft. Beim Aussteigen peitscht einem der Wind ins Gesicht. Gemütlich und weihnachtlich geht anders. Darum retten sich am 14. Dezember Unterhaltungsenthusiasten in den LNW006, den Experimentierhörsaal der HTWK Leipzig. Hier knallt’s, raucht’s und riecht’s speziell - wie bei jeder guten Weihnachtsfeier.
Heute laden Lutz Engisch, Professor für Werkstoffe an der Fakultät Medien, und das Rentier Rudi zusammen mit Dr. Andrea Berlich und Uta Greif zur traditionellen Weihnachtsvorlesung, Motto diesmal: „Konstruieren durch Demolieren“. Zum fünften Mal werden Studierende und Neugierige durch ein winterliches Naturwissenschaftsfeuerwerk auf die Weihnachtszeit eingestimmt.
Klausurrelevant ist das nicht. Trotzdem schleichen immer mehr Menschen in den ohnehin schon übervollen Vorlesungsaal. Selbst auf den Treppenstufen sitzen sie: Kinder, Jugendliche, Studierende, Eltern und Ruheständler – insgesamt gut 150 Menschen. Und dann erzählt das Vorlesungstrio die Geschichte von Student Rudi, dem Rentier, das die Welt der Chemie entdeckt.
Zunächst, so fordert es die Raumordnung, muss die Arbeitsschutzbelehrung erfolgen. Engisch stellt klar: Wenn's brennt: schreien, wegrennen, leugnen. Links und rechts könne man die Fluchttüren nutzen - viel Erfolg dabei. Mehr ist nicht zu beachten. Feuer frei. Im wahrsten Sinne.
Feststoffe werden entzündet, Gase entflammt und Schaum zur Explosion gebracht. Während die drei Chemiewichtel sichtbar Spaß daran haben, ihren pyromanischen Fetisch auszuleben, kommt die Abluftanlage an ihre Grenzen. Weißer Rauch füllt langsam den Raum. Inwieweit Folgeschäden der Atemwege auftreten werden, ist aktuell nicht bekannt. Ob die Verantwortlichen vielleicht sogar Abschlussarbeiten zur Problematik vergeben?
Nachdem gut eine Stunde lang alles Pulver verschossen wurde, kühlen die Vorlesenden die Zuschauer wieder herunter: Rosen, Gummischläuche und Wiener Würstchen verschwinden im Stickstoffnebel. Letzteres versucht ein hungrig werdender Lutz Englisch vergeblich wieder herauszuholen - die Zange ist zu kurz. Also fix Eis angerührt: Stracciatella. Oder wie der Prof es nennt: Zerbombte Schokoweihnachtsmänner.
Und so schwärmen am Ende der Veranstaltung einige Glückliche mit einer Eiswaffel in der Hand wieder in den winterlichen Abend. Möge ihre Weihnachtszeit ruhiger verlaufen als das Detonationsensemble der drei Alchemisten und ihres Rentiers.
Text und Fotos: Robert Weinhold / HTWK Leipzig