Professor Dr.-Ing. Michael Reiche, der Studiendekan des Masterstudiengangs Medienmanagement an der HTWK, leitet gemeinsam mit Professor Dr. rer. nat. Alexander Grossmann, dem Studiendekan des Bachelorstudiengangs Buch- und Medienproduktion, ein Forschungsprojekt, in dem ein Workflowmodells für die Publikation von Monografien in Open-Access-Hochschulverlagen entwickelt wird. Am Vorabend der Leipziger Buchmesse werden die Ergebnisse in einem Transferworkshop der Öffentlichkeit vorgestellt. Grund genug, das Projekt im nachfolgenden Interview genauer vorzustellen. Die Fragen stellte Natalie Felka.
Ist es Ihnen möglich die Ziele Ihres Open Access Hochschulverlages in wenigen Sätzen zu beschreiben?
Die Medienwelt, vor allem bei der Publikation wissenschaftlicher Werke ändert sich. Die zeitnahe, transparente und nachhaltige Verbreitung gesicherter (d.h. peer-reviewter) wissenschaftlicher Ergebnisse ist eine notwendige Anforderung an bestehende und vor allem an künftige Kommunikationsformen im wissenschaftlichen Umfeld und an die dafür erforderliche Infrastruktur. Open Access stellt dabei eine grundsätzliche Strategie für einen offenen und ungehinderten Zugang zu den Ergebnissen aktueller Forschung und neuesten wissenschaftlichen Informationen, unabhängig vom Zeitpunkt und vom Ort dar. Somit können auch Wissenschaftler in Entwicklungsländern an der Strategie partizipieren. Da wissenschaftliche Ergebnisse, sei dies in Form von Graduierungsarbeiten im Rahmen des Curriculums, als Ergebnisse von Forschungsprojekten oder als Proceedings an den Hochschulen entstehen, liegt es nahe, dass jene auch die Veröffentlichung vornehmen. Nun hat jede Hochschule eine andere Veröffentlichungskultur und es gibt verschiedene Möglichkeiten der Finanzierung, so dass jeder Hochschulverlag, egal, ob er bereits besteht oder ob über eine Gründung nachgedacht wird, unterschiedliche Abläufe haben wird. Wir haben über ein Workflowmodell nachgedacht, welches alle möglichen Abläufe enthält und von dem die verschiedenen individuellen Workflows abgeleitet werden können, von der Durchführung aller notwendigen Prozesse im Hochschulverlag bis zum kompletten Outsourcing. Das Modell muss erprobt werden und darum wollen wir einen Hochschulverlag an der HTWK etablieren.
Was waren Ihre Beweggründe über die Gründung eines OPEN-ACCESS-Verlags nachzudenken?
Einerseits entstehen an der HTWK in jedem Semester im Rahmen von Graduierungsarbeiten viele neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die es wert sind, der Wissenschaftscommunity mitgeteilt zu werden. Oft sind sie aber nur im Rahmen der Bibliothek sichtbar und finden nicht die Aufmersamkeit der Interessenten. Ein Hochschulverlag kann hier für eine bessere Sichtbarkeit sorgen. Andererseits haben wir an der HTWK durch die buchaffinen Studiengänge und die Hochschulbibliothek eine solide wissenschaftliche und handwerkliche Basis, die es ermöglicht, alle Facetten der Herstellung von Open-Access-Veröffentlichungen zu prüfen und zu bewerten und damit das entwickelte Modell zu validieren.
Wie viel Zeit haben Sie in dieses Projekt investiert?
Das Projekt wurde von Prof. Grossmann und Prof. Reiche initiiert und beide verantworten auch für den wissenschaftlichen Hintergrund. Die Hauptakteuere sind aber die wissenschaftlichen Mitarbeiter Antonia Schrader und David Böhm, die in knapp zwei Jahren Projektdauer in einer sehr akribischen Arbeit alle Informationen für das Workflowmodell zusammengetragen, abstahiert und dokumentiert haben. Sie haben unzählige Interviews geführt, wissenschaftliche Veranstaltungen vorbereitet und durchgeführt, sie haben unser Modell auf anderen Tagungen vorgestellt, verschiedene Workflows in der Praxis getestet und letztendlich auch die Typografie für eine zukünftige Hochschulreihe entworfen. Das war sehr viel Arbeit, bei der beiden Mitarbeitern die Kenntnisse aus ihrem Hochschulstudium an der HTWK, beide haben einen Bachelorabschluss in Buch- und Medienproduktion, Frau Schrader darüber hinaus auch den Master Medienmanagement erworben, sehr genützt hat. Sicher könnte man die vielen Stunden ausrechnen, die in das Projekt geflossen sind, viel wichtiger ist aber, dass alle mit Herzblut und Engagement dabei gewesen sind. Das Resultat ist ein verwendbares Workflowmodell und ein dazugehöriges Handbuch, welches, natürlich, Open Access auf allen Kanälen, also auch als gedruckte Monografie veröffentlicht wird.
Ist Ihnen bekannt, ob eine weitere Hochschule bereits ein ähnliches Projekt umgesetzt hat?
Wir haben herausgefunden, dass sehr viele Hochschulen über die Gründung eines Hochschulverlages nachdenken, einige betreiben auch bereits solche. Aber im Moment lässt sich in diesem Bereich eine große Heterogenität beobachten, das heißt, dass es viele verschiedene Vorgehensweise und Workflows gibt. Unser Projekt möchte hier einen Vorschlag zur Standardisierung machen, ohne die notwendigen Freiheitsgrade einzuschränken. Jeder denkbare Workflow soll, wie oben bereits erwähnt, aus dem Modell ableitbar sein, so dass jeder Verlag eine Unterstützung für sein Vorhaben findet. Wenn es gelingt, alle Stakeholder, die Autoren, die Hochschulbibliotheken, die Verlage und die Verlagsdienstleister in einer standardisierten Sprache denken und sprechen zu lassen, dann nützt das allen, vermindert den Aufwand an den Schnittstellen, macht die Abläufe transparenter und sicherer und als Ergebnis die Veröffentlichung wissenschaftlicher Werke schneller und qualitätsgerechter.
Wenn sich nach diesen interessanten Informationen eine Hochschule entschließt, selbst einen Open-Access-Hochschulverlag zu gründen, oder aber einen bestehenden Verlag zu optimieren, wo können diese noch weitreichendere Informationen über Ihr Projekt finden?
Die wichtigsten Informationen zum Projekt kann man auf der Projektwebseite nachlesen (https://fim.htwk-leipzig.de/forschung/forschungsthemen/open-access-hochschulverlag/). Zum Abschluss des Projektes wird am 11. März 2020, also am Vorabend der Leipziger Buchmesse, ein Transferworkshop unter dem Motto "Road to Open Access" durchgeführt, zu dem wir alle Interessenten herzlich einladen. Hier kann man sich anmelden: http://road2oa.org/ Das Handbuch zum Workflowmodell, das auf dem Transferworkshop der Öffentlichkeit präsentiert werden wird, kann anschließend als Open-Access-Dokument von den Seiten des Hochschulverlages heruntergeladen werden: https://oa-hochschulverlag.htwk-leipzig.de
Autor: Natalie Felka