Wohldosiert setzt Dozent Dr. Volker Gruhne in seinen Seminaren Abstimmungsgeräte ein. Die Studierenden danken es ihm.
Dr. Volker Gruhne betritt den Seminarraum mit einer Umhängetasche und einem quietschgrünen Stoffbeutel. Für einen Dozenten, der seine Lehre mit Abstimmungsgeräten interessanter macht, wirkt das eigentlich nach zu wenig Handgepäck.
Darauf angesprochen, schmunzelt der 34-Jährige, greift in den Stoffbeutel und fischt einen Clicker heraus. Halb so groß und halb so flach wie ein Handy, zwölf kleine Tasten. „Das sind 40 Stück, eine Leihgabe von der Uni, jedes Teil rund 40 Euro wert.“ Aha! Ganz schön wertvoll, das grüne Beutelchen. Bloß nicht liegenlassen!
Übrigens: Mittlerweile hat die HTWK Leipzig selbst solche Geräte. Verliehen werden sie von Franziska Amlung, die als Projektmitarbeiterin von „Lehrpraxis im Transfer plus“ (LiT+) moderne und abwechslungsreiche Lehrformen und -mittel salonfähig machen möchte.
Zurück zu Gruhne, dem Praxisanwender: „Ich plane für die Abstimmung samt Auswertung 10 bis 15 Minuten ein, mal zu Beginn, mal mitten im Seminar.“ Mehrfach betont er, dass es sich „aber hier nicht um ein Quiz oder so“ handele. Auch die heutige Frage – es ist tatsächlich immer nur eine! – liest sich nicht gerade wie Entertainment. Es geht um Grenzwerte und Lücken, den Limes, den mathematischen. Dozent Gruhne schätzt: „Für Zweitsemester eine anspruchsvolle Frage!“
Apropos Studierende: Rund 15 künftige Wirtschaftsingenieure sind es, die sich heute gleich am Anfang ihres „Wirtschaftsmathematik“-Seminars für eine der vier Antworten entscheiden müssen – oder die „Weiß-nicht“-Option.
Nils Wieben zeigt auf seinen Clicker: „Das ist eine sehr gute Idee für die Lehre – vor allem wegen der interessanten Fragestellungen.“ Neben ihm sitzt Leonie Schumann und ergänzt: „Die Visualisierung ist hilfreich, man vergleicht sich ja doch! Gut ist vor allem, dass hinterher eine fundierte Auswertung folgt.“ Und Maxi Otto sagt: „Es geht zwar recht viel Zeit für die Übung drauf – aber die ist gut investiert.“
Alle drei meinen bedauernd: Es sei ihr einziges Seminar mit den Clickern – obwohl andernorts auch gut vorstellbar. Gruhne nickt, sagt aber auch: „Das eignet sich nicht überall. Auch ich setze das nur ein, wenn es mir für die Lehre wirklich hilfreich erscheint.“ Und das sei eben dort der Fall, wo es Teilnehmer-Aktivierung oder Abwechslung besonders brauche – also eher in Seminaren mit viel Theorie.
Oder bei schwierigen Sachverhalten: „Die Ergebnisse sind ein brauchbares Indiz, an welchen Stellen wir gemeinsam nacharbeiten müssen“, beschreibt Volker Gruhne. „Es geht also gerade nicht um fehlerfreie Abstimmungen. Im Gegenteil: Ich will über absichtliche Fallen herausfinden, wo bei den Studierenden das Denken in eine falsche Richtung geht.“
Die Zweitsemester tun ihm diesen Gefallen: Die Antworten auf die Limes-Frage fallen sehr unterschiedlich aus, obwohl es vor dem Einbuchen der Antwort leises Getuschel gibt (Gruhne: „Das unterbinde ich nicht – es dient ja dem Lehrziel!“). Auch das ehrliche „Weiß nicht“ wird häufig gedrückt.
Ein Programm an Gruhnes Laptop – in dem ein USB-Stick-ähnlicher Empfänger steckt – bereitet die Signale in Sekundenschnelle grafisch auf. Internet und WLAN braucht es nicht. Das Ergebnis kommt über den Beamer. Durchwachsen. Gruhne freut das – da kann man schön diskutieren.
Was die Studierenden zu dem Zeitpunkt nicht wissen: Antwort B, am häufigsten gewählt (38 Prozent), ist richtig. Gruhne ist überrascht, liegt mit seiner Vermutung daneben, mehr Leute aufs Glatteis geführt zu haben. Auch gut. Der Dozent gibt einen kleinen Impuls, ruft zum aktiveren Austausch aus – um dann die Abstimmung zu wiederholen. So läuft das meistens.
Und siehe da, das falsche „A“ hat die Gruppe erfolgreich wegargumentiert, das richtige „B“ wird noch häufiger gewählt. Es folgt die Auflösung und ein Gruhne-Lob für ein akzeptables Gesamtergebnis. Randnotiz: Nils, Leonie und Maxi lagen heute alle falsch. Vielleicht, weil sie nebeneinander saßen…
(Autor: Reinhard Franke)