Museologie-Absolvent Dr. Manfred Wilde im Gespräch
Manfred Wilde, seit 2008 Oberbürgermeister der Stadt Delitzsch, studierte von 1990 bis 1995 Museologie an der HTWK Leipzig. Es folgten verschiedene Stationen im Bauplanungsamt, als Kulturkoordinator und als Museumsleiter im Delitzscher Barockschloss. 1996 erhielt er als erster sächsischer Fachhochschul-Absolvent in einem kooperativen Promotionsverfahren den Doktorgrad. Nach seiner Habilitation 2002 wurde er 2004 in die Historische Kommission der Sächsischen Akademie der Wissenschaften berufen. Wilde war ein Initiator der (2016 erfolgten) Aufnahme der mit Delitzsch eng verbundenen Genossenschaftsidee in die UNESCO-Liste des immateriellen Weltkulturerbes.
An welches Detail während Ihres Studiums an der HTWK Leipzig können Sie sich gut erinnern und warum?
Wilde: Unser Studiengang wurde noch in der Villa Mothes in der Käthe-Kollwitz-Straße unterrichtet. Ein altehrwürdiges Gebäude, wo die Nähe von Studenten und Lehrkräften unausweichlich war. Eine mich positiv prägende Person war insbesondere Prof. Dr. Frank-Dietrich Jacob, den ich als Historiker sehr schätzen gelernt habe und mit dem mich bis zu seinem viel zu frühen Tod Vieles verbunden hat.
Welche Erfahrung im Studium hat Sie nachhaltig geprägt?
Wilde: Ich gehörte einem Studienjahrgang von Fernstudenten an. Daher waren die Anwesenheitstage besonders intensiv ausgefüllt. Wertvoll waren die praktischen Erfahrungen der Kommilitonen, wir waren fast alle bereits in einem Museum angestellt: Vom Hausmeister und Heizer bis zum wissenschaftlichen Mitarbeiter.
Sie haben vor und nach Ihrem Studium verschiedene Berufe ausgeübt – wie wird man Oberbürgermeister?
Wilde: Ich habe den Beruf eines Elektromonteurs gelernt, habe meinen Wehrdienst bei der Marine auf einem Schiff absolviert, war Heizer und Hausmeister. Die politische Wende 1989/90 gab mir die Chance, ein Studium zu absolvieren. Es folgten Tätigkeiten im Bauplanungsamt, dann war ich Kulturkoordinator der Stadt und zehn Jahre lang Museumsleiter im Delitzscher Barockschloss. 1996 habe ich promoviert, 2002 meine Habilitation erfolgreich abgeschlossen. Kreativität und Gestaltungswille sind Teile meiner Persönlichkeitsstruktur und irgendwann hatte ich den Wunsch nach einer beruflichen Veränderung. Perspektiven sah ich an einer Hochschule – oder darin, meinen Hut bei den Oberbürgermeisterwahlen in den Ring zu werfen. Für einen parteilosen Einzelkandidaten wie mich eine nicht alltägliche Erfahrung.
Seit 2008 sind Sie OBM von Delitzsch. Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?
Wilde: Ich bin 7.30 Uhr im Büro, und dann geht es im Halbstundentakt bis zum Abend. Ausschuss- und Stadtratssitzung können auch schon mal länger dauern und an den Wochenenden besuche ich oft Vereine vor Ort. Durch meine Mitgliedschaft im Hauptausschuss des Deutschen Städtetages und im Sächsischen Städte- und Gemeindebund bin ich zudem häufig unterwegs.
Was gefällt Ihnen besonders an Ihrer jetzigen Tätigkeit?
Wilde: Man muss sehr kommunikativ sein, sich stark mit der Stadt identifizieren und ehrlich mit den Menschen umgehen. Es gibt kaum eine abwechslungsreichere Tätigkeit als die eines Oberbürgermeisters. Und, ganz wichtig: Ich mag Baustaub und Veränderung.
An welchem Projekt arbeiten Sie zurzeit?
Wilde: Wir haben gerade unseren Doppelhaushalt 2017/18 im Stadtrat einstimmig beschlossen. Jetzt geht es an die Erweiterung unserer Kita-, Hort- und Schulkapazitäten, denn nach Delitzsch ziehen besonders viele junge Familien.
Welche Erfahrungen aus Ihrem Studium konnten Sie mit in Ihr Berufsleben nehmen?
Wilde: Den Facettenreichtum der Lehrinhalte und die auch nach dem Studium über viele Jahre gepflegten Kontakte zu einzelnen Lehrkräften und Kommilitonen. Ohne die sehr gute und breit angelegte Wissensvermittlung an der HTWK hätten mir nicht nur die Grundlagen für die wissenschaftliche Museumsarbeit, sondern auch für meine publizistische Tätigkeit gefehlt.
Welchen Ratschlag würden Sie Studierenden Ihres Faches aus heutiger Sicht geben?
Wilde: Immer über den Tellerrand des eigenen Fachgebiets schauen, sich tief in die Archive und Depotbestände eingraben und sich mit eigenen Vorträgen und Fachartikeln einbringen.
Was würden Sie heute anders machen?
Wilde: Absolut nichts! Da bin ich mit mir völlig im Reinen.
(Interview: Dr. Enrico Hochmuth)