Alumni-Geschichte(n): Bauwesen-Absolvent Sebastian Wartenberg (Diplom 2004) im Gespräch
Sebastian Wartenberg studierte von 1998 bis 2004 Bauingenieurwesen an der HTWK Leipzig. Nach seinem Diplomabschluss stieg er in die von seinem Vater gegründete Firma ein und führt diese heute weiter – sie ist spezialisiert auf „Bauen für Behinderte und Betagte“. Über die Vor- und Nachteile eines Familienbetriebs, familiäre Vorprägungen und Krisen im Studium berichtet er im Alumni-Interview.
Warum haben Sie sich für ein Studium an der HTWK Leipzig entschieden?
Sebastian Wartenberg: Mein Vater hatte bereits an der Technischen Hochschule Leipzig, der Vorgängereinrichtung der HTWK, studiert. Die Entscheidung ist aber letztlich so gefallen, dass ich mich mit einem Studienfreund meines Vaters hingesetzt habe und wir die Möglichkeiten durchgegangen sind. Und die HTWK war dann alternativlos.
Spielte auch eine Vorprägung durch die Firma Ihres Vaters eine Rolle?
Wartenberg: Vielleicht unbewusst. Mein Vater hatte 1990, noch vor der Währungsunion, das Büro gegründet. Er war vorher beim Rat der Stadt Leipzig, Direktion Kulturbauten und Denkmale angestellt und hat, als sich die neuen Möglichkeiten abzeichneten, den Sprung in die ungewisse Selbständigkeit gewagt. Mit einem für uns sprichwörtlich gewordenen Badewannen-Haltegriff für Behinderte ist er durch die Pflegeheime gezogen und hat den dort zur Demonstration an die Wand geschraubt, damit man verstand, worum es geht: nämlich Bauten für Behinderte besser nutzbar zu machen. Im Kern ist das bis heute – bei ganz anderen Anwendungen – unser Kerngeschäft geblieben. Bald kamen ganze Umbauten von Bädern und die ersten Aufzüge dazu, aber 1990 war barrierefreies Bauen echtes Neuland. Und natürlich hat mich das geprägt, ich bin dann am Wochenende mit meinem Vater zu den Kunden nach Hause gefahren, habe selbst Aufmaße erstellt.
Woran erinnern Sie sich, wenn Sie an Ihr Studium denken?
Wartenberg: Das Studium an der HTWK hat mir großen Spaß gemacht. Es war aber schon sehr anstrengend, die Belege, der Druck, die Matheausbildung, in der auch aussortiert wurde. Im Fach Technische Mechanik bin ich richtig auf die Nase gefallen, diese Krise konnte ich aber mit Fleiß wieder ausgleichen. Es war ziemlich eng und geregelt, und wenn man nicht anwesend war, hatte das fatale Folgen. Es war wenig Zeit drumherum, für das sogenannte Studentenleben. Aber: Natürlich sind wir abends trotzdem feiern gegangen.
Hat Sie das Studium gut auf Ihre heutige Aufgabe vorbereitet?
Wartenberg: Insgesamt gesehen ja, das war wirklich eine solide fachliche Ausbildung. Aber andererseits bin ich heute auch Unternehmer. Als angestellter Statiker wäre ich vielleicht perfekt vorbereitet gewesen. Aber als Geschäftsführer muss man auch verhandeln, die Buchführung machen, die Steuern und die Rechnungslegung im Blick behalten, schließlich wollen alle Angestellten am Monatsende ihr Geld erhalten. Dazu hätte ich mir im Studium oder auch im Studium generale mehr Inhalte gewünscht. Ich erinnere ich mich noch heute an Prof. Niemetz und seine Themen, von der Dreifelderwirtschaft bis hin dazu, dass es das 9. Jahrhundert gar nicht gegeben hätte. Für den Beruf hätten mir kaufmännische Themen mehr gebracht.
Nach dem Studium sind Sie in die Firma Ihres Vaters eingestiegen?
Wartenberg: Genau, das war 2004. Im Jahr 2012 habe ich dann von ihm die Gesamtverantwortung übernommen. Wir sind mit 6 Angestellten ein Familienbetrieb: Der Vorteil ist, dass ich alles selbst entscheiden und gestalten und mir auch meine Zeit einteilen kann. Der Nachteil, dass ich alles, was liegenbleibt – Rechnungen oder die Bearbeitung öffentlicher Ausschreibungen – abends und am Wochenende nachholen muss.
Sie sind in einem speziellen Segment tätig – „Bauen für Behinderte und Betagte“, so das Motto Ihrer Firma.
Wartenberg: Das ist schon unser Auftrag, und ich finde es gut, damit auch etwas für die Gesellschaft zurückgeben zu können. Etwa 1/3 unseres Geschäfts sind Neu- oder Umbauten wie Wohnheime oder Werkstätten für Behinderte, meist für die öffentliche Hand. Aber inzwischen sind die andern 2/3 individuelle Umbauten für Unfallverletzte, die Anpassungen ihrer bisherigen Wohnung benötigen. Das ist schon intim – den Kunden zu fragen, ob er beim Duschen Hilfe benötigt oder nicht. Da geht es immer um Schicksalsschläge: Aktuell etwa ein Familienvater, der nach einem Unglück im Rollstuhl sitzt und nur noch den Kopf bewegen kann. In diesem Haus (in Südhessen) bauen wir nun viel smarte Steuerungstechnik ein, von den Türen über die Heizung bis zum Radio. Das Schöne dabei: Es ist jedesmal neu und individuell. Und es hilft Menschen, selbstbestimmt zu leben. Eine gewisse innere Motivation ist da immer mit dabei.
Was machen Sie als Ausgleich?
Wartenberg: Ach wissen Sie, meine Frau hat einen anstrengenden Job und wir haben einen kleinen Sohn. Es geht da nicht um meinen Ausgleich, sondern eher darum, soviel wie möglich Zeit miteinander zu verbringen und die Arbeit nicht alles bestimmen zu lassen.
(Juni 2017)