Dirk Thärichen studierte ab 1990 an der Technischen Hochschule Leipzig, der Vorgängerin der HTWK Leipzig, Wirtschaftswissenschaften. Mit dem Vordiplom wechselte er an die TU Dortmund. Nach Stationen u.a. im Sportbusiness und der Medienbranche ist er seit 2014 Vorstand der Konsum Leipzig eG. Als Partner der HTWK Leipzig beim Deutschlandstipendium fördert er mit seinem Leipziger Traditionsunternehmen nun selbst leistungsstarke Studierende der Wirtschaftswissenschaften. Über ein Studium in bewegten Zeiten und wichtige Wechsel berichtet er im Alumni-Interview.
Wie kamen sie zum Studium an die TH Leipzig?
Dirk Thärichen: Eigentlich wollte ich in Berlin Ökonomie studieren, Zahlen haben mir schon immer Spaß gemacht. Das war Ende der 1980er Jahre in der DDR, damals hieß es: Wer studieren will, muss vorher einen dreijährigen Wehrdienst absolvieren. Aber während ich dort war, fiel die Mauer und damit der Zwang, die komplette Zeit abzusitzen. Ich habe mich nach einem Studienplatz in der Nähe umgesehen – und die Technische Hochschule Leipzig, Vorgängerin der HTWK, führte gerade einen völlig neuen Studiengang ein, Wirtschaftswissenschaften.
Das war im Oktober 1990, wenige Tage vor Ihrer Immatrikulation trat der Einigungsvertrag in Kraft.
Thärichen: Richtig, alles war im Übergang. Es gab viele so wie mich, die vom Wehrdienst kamen, unser Studiengang war überfüllt, gleichzeitig waren wir die Versuchskaninchen: Inhalte wurden während des Semesters laufend geändert, und viele, leider auch gute, Professoren waren plötzlich weg, weil man Ihnen Verbindungen zur Stasi nachgewiesen hatte. Wir hatten aber auch richtige Kapazitäten, Lothar Tippach etwa oder Prof. Bert Rürup, den späteren Vorsitzenden der „Wirtschaftsweisen“ und Erfinder der Rürup-Rente. Der kam damals als Gastprofessor von der TU Darmstadt. Bei ihm war es richtig spannend. Andererseits waren viele der alten Profs mit dem „neuen“ Stoff wenig vertraut. Einer hat den Begriff Vorlesung wörtlich genommen und alles aus einem West-Buch, dem „Stubbe“, vorgelesen. Wir haben uns das Buch besorgt und dann aus Spaß, wenn er eine kurze Pause machte, laut weitergelesen.
Das marktwirtschaftliche System und die Rechtsordnung waren damals für alle Neuland.
Thärichen: Alles das, was wir bis dahin erlebt und gelernt hatten, meine ganzen 20 Jahre bis dahin, das konnte ich großteils über Bord werfen, das galt nichts mehr. Nur manches, etwa die Gesetze der Mathematik, der Statistik und die Wahrscheinlichkeitsrechnungen, die waren gleichgeblieben. Am anstrengendsten fand ich die Informatikthemen. Wir hatten nagelneue Rechner von Intel, 386er. Was habe ich mich quälen müssen. Ich wollte nicht Programmieren lernen, ich wollte lernen, wie man sich erfolgreich am Markt behauptet.
Die Hochschule war damals ja noch über die ganze Stadt verteilt, wie hat das funktioniert?
Thärichen: Wir hatten Veranstaltungen im Hauptgebäude an der Karli oder im heutigen Gutenbergbau, aber meistens in der Trufanowstraße in Gohlis. (Dieser Standort gehört heute nicht mehr zur HTWK, d. Red.) Wir sind dann mit der Straßenbahn hin und her gefahren. Das Gefühl eines Campus wie heute, das gab es bei uns nicht.
Wie war das studentische Leben?
Thärichen: Ganz großes Kino. Wie gesagt, wir waren ja sehr viele, waren eine große Community, und alles war im Umbruch. Und die TH Leipzig hatte zu Recht einen tollen Ruf, der Ba-Hu-Fasching und unser Klub in der Friederikenstraße, das hat alles einen Riesenspaß gemacht. Nebenbei natürlich.
Wie ging es dann weiter?
Thärichen: 1991 war dann klar, dass die Technische Hochschule Leipzig abgewickelt wird, parallel entstand ab 1992 die HTWK. Ich hätte dann mit dem Zeugnis einer Einrichtung dagestanden, die es nicht mehr gab. Ich und ein paar meiner Kommilitonen wollten für das Hauptstudium unbedingt „rüber“ in den Westen, uns das alles direkt ansehen. So bin ich nach dem Vordiplom an die TU Dortmund, und habe dann dort mein Studium abgeschlossen.
Wie war der Wechsel?
Thärichen: Inhaltlich habe ich leicht Anschluss gefunden, da konnte ich mich nicht beschweren. Und die Menschen in NRW, die sind genauso weltoffen wie wir Sachsen, die haben uns Ossis mit offenen Armen aufgenommen. Wir galten etwas als Exoten. Für uns war das eine völlig andere Gesellschaftsordnung, meine Kommilitonen hatten ganz andere Biografien, Erlebnisse, Bezugspunkte. 1993 habe ich meine erste USA-Reise gemacht, das fanden die alle lustig. Andererseits waren sie noch nie an der Ostsee gewesen.
Ihre große Leidenschaft neben Zahlen ist der Sport.
Thärichen: Ich habe mich schon während meiner Zeit in Leipzig fürs Sportbusiness interessiert. Ich bin damals zu einem großen Tennisturnier und habe gesagt: „Ich will hier arbeiten.“ Das war wie mit der DDR, alles, was ich kannte, galt nichts. Aber ich wollte das unbedingt lernen. So habe ich schon während des Studiums erst bei der Organisation mitgeholfen, bin da reingewachsen und habe später selbst verschiedene Großveranstaltungen organisiert.
Was sind heute Ihre Aufgaben als Vorstandssprecher der Konsum e.G.?
Thärichen: Ich bin zuständig für Marketing, Finanzen, Personal - und Digitalisierung, da muss ich immer mal an meinen alten 386er im Studium denken. Als ich 2014 zu Konsum kam, waren die Kundenzahlen nach unten gegangen. Meine Aufgabe zusammen mit meinem Kollegen im Vorstand ist es, eine Trendwende herbeizuführen, das Unternehmen neu aufzustellen. Letztlich geht es auch darum, die Unternehmenskultur zu ändern, um wieder erfolgreich zu sein. Das hat eine Weile gedauert. Aber 2018 haben wir die besten Umsätze seit der Wiedervereinigung eingefahren, sind um 7% gewachsen.
Hat Ihr Studium Sie auf Ihre heutigen Tätigkeiten vorbereitet?
Thärichen: Ich hatte mich im Studium auf Marketing und Unternehmensführung spezialisiert, das sieht sich bei mir als roter Faden durch. Aber BWL ist so unglaublich vielfältig, da gibt es noch Controlling, Finanzwirtschaft, Personalwirtschaft, Rechnungswesen, Steuerlehre und so weiter. Ich kann nur sagen: Du brauchst später jeden Teil davon, wenn du erfolgreich sein willst.
(Stand: August 2019)