Lehrveranstaltungen barrierefrei gestalten
Diese Seite stellt die wichtigsten Informationen zum Umgang mit beeinträchtigten Studierenden zusammen. Viele der hier genannten Tipps für Lehrveranstaltungen werden bereits von Lehrenden erfolgreich umgesetzt, dennoch sind sie hier der Vollständigkeit halber und als Orientierungshilfe für alle Lehrenden aufgeführt.
Sie können die Qualität der Lehre für alle Studierenden verbessern, unabhängig von ihren individuellen Bedürfnissen.
Allgemeine Hinweise
- Studierende und ihre Krankheiten und Sorgen ernst nehmen und ein tolerantes, unterstützendes Gruppenklima fördern
- Bedarfe erfragen und Kontaktmöglichkeiten und Sprechzeiten öffentlich zugänglich machen und auf Nachteilsausgleich hinweisen
- Diskretion wahren, Fehlzeiten tolerieren und durch Ersatzleistungen ausgleichen lassen
- Anliegen und Aufgaben knapp, konkret und ohne Interpretationsspielraum formulieren
- Texte zum Wohle der Übersichtlichkeit in Absätze gliedern und Zwischenüberschriften nutzen
Den Anfang zu wagen ist wichtiger, als gleich alles richtig zu machen!
Hinweise für Lehrmaterialien
- ausreichende Kontraste zwischen Texten, Bildern und Hintergrund
- Bilder haben einen Alternativtext, Videos haben Untertitel und Audios habenTranskripte
- Linktexte sind aussagekräftig
- Infografiken sind schnell und leicht erfassbar und werden beschrieben
- Barrierefreiheit mit eingebauten Prüfhilfen testen (z. B. in Word und PowerPoint)
Ausführlichere Hinweise gibt es auf der Seite Medien barrierefrei gestalten.
Hinweise für Online- und Präsenzveranstaltungen
Allgemeines:
- Folie mit Kontaktangebot für Hilfe bei Beeinträchtigungen einblenden
- am besten nicht nur bei der ersten Veranstaltung, das schafft Vertrauen und kann grübelnde Studierende zur Kontaktaufnahme motivieren
- Folien vor der Vorlesung hochladen
- nimmt Stress von den Studierenden und bedeutet mehr Flexibilität
- Lehrmaterialien können an persönliche Bedarfe angepasst werden, z. B. können sehbeeinträchtigte Studierende die Folien vergrößern und so bei Freunden sitzen
- alle Studierenden können besser folgen und mitschreiben
- Studierende mit psychischen Erkrankungen haben die Möglichkeit, Lernphasen leichter zu planen und „gute“ Phasen auszunutzen
- nach der Vorlesung zusätzliche Materialien hochladen (z. B. Notizen in der Präsentation, Links, Chat-Diskussionen, Protokolle)
- Zwei-Sinnes-Prinzip beachten
- Informationen über mindestens zwei Sinne präsentieren, d. h. Bilder verbal beschreiben und Audios mit Transkription anbieten
- in langen Veranstaltungen Pausen sowie Sprechpausen machen
- Studierende, besonders mit Mobilitäts-, Seh- und Hörbeeinträchtigungen sowie Konzentrationsschwierigkeiten, können nicht gleichzeitig einem Vortrag folgen, das Tafelbild wahrnehmen und mitschreiben
- störende und ablenkende Umgebungsreize vermeiden und für Ruhe sorgen
- z. B. Straßenlärm, Telefonklingeln, Mikrofonrauschen, blendende Lichter können von einigen Studierenden nur schlecht oder gar nicht gefiltert werden, der Vorlesung zu folgen wird so für sie sehr anstrengend oder gar unmöglich
- asynchrone oder Remote-Teilnahme ermöglichen
Sprache:
- wichtige Abbildungen mündlich beschreiben
- hilft allen Studierenden beim Verständnis
- hilft bei der Lehrvorbereitung, wichtige von redundanten Abbildungen zu unterscheiden
- kurze und einfache Sätze verwenden
- lange und komplexe Sätze können verwirren und dazu führen, dass Personen schnell den Faden verlieren
- beim Sprechen immer den Studierenden oder dem Mikrofon zuwenden und das Mundbild sichtbar zeigen
- verbessert die Akustik und das Verständnis des Gesagten
- zur Anschauung und leichterem Verständnis Beispiele, Bilder oder Vergleiche verwenden, dabei zu viele Metaphern oder bildliche Sprache vermeiden, die verwirrend sein können
- Bei Fremdwörtern prüfen, ob eine Erklärung dieser für die Studierenden hilfreich sein könnte
Präsenz:
- in Hörsälen Mikrofon verwenden
- hilft nicht nur bei Hörbeeinträchtigung, sondern bei Deutsch als Fremdsprache und Verständnis bei unklarer Aussprache
- regelmäßig lüften
- verbessert die Konzentration aller Anwesenden und verringert Schläfrigkeit
Online:
- Live-Chat nur begrenzt nutzen
- bedeutet mehr Stress, geteilte Aufmerksamkeit und für einige eine zusätzliche Barriere (z. B. wenn nicht von Screenreadern erfassbar)
- in langen Veranstaltungen Bildschirmpausen machen
Video mit dem Leitfaden der Uni Potsdam
(als Textalternative zu den zuvor aufgelisteten Hinweisen)
Konferenzsysteme für Online-Veranstaltungen
Die KickIn! – Beratungsstelle für Inklusion im Fußball hat die Barrierefreiheit von Videokonferenz-Programmen verglichen. Der Fokus dabei liegt auf Kriterien, die verschiedene Bedarfe bei der barrierefreien Nutzung der Programme abdecken.
Das von der HTWK Leipzig genutzte BigBlueButton schneidet insgesamt sehr gut ab, allerdings lassen sich Live-Untertitel nur manuell erstellen. Wichtig zu beachten, ist die Bereitstellung der Folien vor der Veranstaltung und ein möglichst geringer Einsatz der Chat-Funktion oder eine regelmäßige verbale Zusammenfassung der Chatinhalte durch Sie oder Teilnehmende.
Oft genutzt wird auch die Software Zoom, die ebenfalls sehr gut abschneidet. Hier ist eine automatische Live-Untertitelung möglich, diese funktioniert allerdings nicht einwandfrei.
Beispiele aus dem Studienalltag
Die virtuelle Begegnungsplattform BlindDate bietet Einblicke in die Barrieren eines Studienalltags von sieben Studierenden.
Nachfolgend zwei Studierendenzitate von BlindDate:
Michelle (Morbus Crohn, chronische Darmkrankheit): „Ich bin immer saufroh, wenn irgendein Lernmaterial online verfügbar ist. Ich kann nicht immer vor Ort sein, auch wenn ich es gerne wäre. Ich muss oft zum Arzt. Ich muss immer wieder ins Krankenhaus. Deshalb verpasse ich Veranstaltungen. Digitales Lernmaterial bedeutet für mich, dass ich trotzdem dabei sein kann. Dass ich nicht den Faden verliere. Und auch nicht immer nachfragen muss, wenn ich etwas verpasst habe. Für mich ist das eine riesige Erleichterung – und zeigt mir auch, dass ich mein Studium schaffe.“
Maxi (Depressionen): „Wenn es mir schlecht geht, ist es einfach eine zu große Aufgabe, noch Kontakt mit Lehrenden aufzunehmen. Dann geht es halt wieder los: Die denken, du bist dumm. Das muss man doch schaffen. Die anderen fragen das auch nicht. Man muss auch Leistung bringen, um zu studieren. Deshalb hab ich mich oft gar nicht gemeldet. Rückblickend muss ich sagen, dass mir das geschadet hat.“