Anti-Totalitarismus als kleinster gemeinsamer Nenner der Demokratie? Die neue Geschichtspolitik der Europäischen Union
Im Anschluss an die Osterweiterung von 2004 hat die Europäische Union im Ergebnis zum Teil scharfer Parlamentsdebatten Ansätze zu einer eigenen Geschichtspolitik entwickelt, im Zuge derer 2009 Anti-Totalitarismus als kleinster gemeinsamer Nenner identifiziert und 2019 neuerlich festgeschrieben wurde.
Die Erinnerung an die Gesellschaftsverbrechen der Totalitarismen und an deren Opfer, so diese Vorstellung, soll den Angehörigen der mittlerweile 28 EU-Nationalgesellschaften zum einen ein Gefühl der Zusammengehörigkeit vermitteln und zum anderen mit Blick auf Gegenwart und Zukunft die EU-weit gemeinschaftliche aktive Ablehnung totalitarismusaffiner Ideologien und Haltungen befördern.
Hauptkomponenten des neuen geschichtspolitischen Instrumentariums sind Gedenktage, hier vor allem der 23. August, der auf den Hitler-Stalin-Pakt von 1939 bezogene „Europäische Tag des Gedenkens an die Opfer von Stalinismus und Nationalsozialismus“, desgleichen Parlamentsresolutionen, zuletzt die „Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. September 2019 zur Bedeutung des europäischen Geschichtsbewusstseins für die Zukunft Europas“, sowie die beidem von Parlament begründeten Brüsseler Geschichtsmuseen, nämlich das Parlamentarium (2011) und das Haus der europäischen Geschichte (2017).
Der Vortrag ist Teil der öffentlichen Ringvorlesung „Die Entführung Europas“ im Wintersemester 2019/2020. Der Besuch ist kostenfrei, eine Anmeldung ist nicht nötig.