Dr. Ulrike Igel erhält Dissertationspreis 2020 der Stiftung HTWK und gibt mit ihrer Forschung entscheidende Impulse zur gesundheitsfördernden Gestaltung von Städten
„Gerade jene Kinder haben ein höheres Risiko übergewichtig zu werden, die in Stadtteilen aufwachsen, in denen besonders viele Erwerbslose oder weniger gebildete Menschen wohnen – und das unabhängig vom Sozialstatus ihrer Eltern“, sagt Dr. Ulrike Igel. In ihrer Doktorarbeit erforschte sie, welchen Einfluss soziale Ungleichheit und Umweltfaktoren auf das Körpergewicht von Mädchen und Jungen haben und wie Wohngegenden gestaltet werden können, um Übergewicht vorzubeugen. Für ihre innovative Arbeit in der Adipositasforschung zeichnete die Stiftung HTWK sie im Dezember 2020 mit dem mit 3.000 Euro dotierten Dissertationspreis aus.
Für die Auswirkungen der Wohnumgebung interessierte sich Igel schon früh. „Ich lebte eine Weile in einem Stadtteil, in dem ich jeden Morgen an der Bushaltestelle streitende, rauchende, trinkende und perspektivlos wirkende Menschen sah. Ich hatte das Gefühl, diese ‚Depression‘ färbt ab“, so die 39-Jährige, die ab 2001 an der HTWK Leipzig Sozialwesen studierte. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hochschule arbeitete sie ab 2007 an verschiedenen stadtteilbezogenen Projekten zur Gesundheitsförderung mit.
Etwa 15 Prozent aller Kinder sind übergewichtig
Zuletzt führte sie mit Kolleginnen und Kollegen das Forschungsprojekt „Grünau bewegt sich“ durch. Viele ihrer darin erarbeiteten Erkenntnisse flossen in ihre Doktorarbeit mit ein. „In Kooperation mit der Universitätskinderklinik und der Stadt Leipzig entwickelten wir Ansätze, um Stadtteile gesundheitsförderlicher zu machen. So haben wir etwa mit zwei Grundschulen Gestaltungsideen für einen bewegten Schulweg erarbeitet“, sagt Igel.
Etwa 15 Prozent aller Kinder in Deutschland sind übergewichtig. Diese Kinder haben häufiger mit Folgekrankheiten wie Diabetes oder Depressionen zu kämpfen. Neben der Bildung und dem Einkommen der Eltern spielen auch die sozialen und baulichen Verhältnisse in der Umwelt eine Rolle für die kindliche Entwicklung, wie Igel in ihrer Doktorarbeit herausfand. „Förderlich ist es zum Beispiel, wenn Wohngebiete sicher sind, ein guter Zusammenhalt unter den Bewohnerinnen und Bewohnern herrscht und es attraktive Grün- und Erholungsflächen gibt“, sagt Igel.
Für ihre Forschung wertete Ulrike Igel Daten zur Lebensmittelumwelt in den Leipziger Stadtteilen Neustadt-Neuschönfeld, Grünau-Nord und Schleußig sowie der Schuleingangsuntersuchung aller Leipziger Schulanfängerinnen und Schulanfänger aus. „Eine meiner Fallstudien zeigte, dass im Vergleich zum ‚privilegierten‘ Stadtteil Schleußig in sozial benachteiligteren Gebieten der Anteil von Läden, die ungesundes Essen anbieten, wie Fastfoodläden oder Kioske, doppelt so hoch war.“
Forschung von hoher gesundheitswissenschaftlicher Relevanz
Fast acht Jahre forschte Igel zum Zusammenhang von Wohnumgebungen und Gesundheit an der HTWK Leipzig und der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Ihr kooperatives Promotionsvorhaben wurde für drei Jahre mit einem Stipendium des Europäischen Sozialfonds gefördert. 2019 verteidigte sie ihre Doktorarbeit „Zur Bedeutung von sozialer Ungleichheit und Umweltfaktoren in der Entstehung und Prävention von Übergewicht und Adipositas im Kindesalter“ mit der Bestnote „summa cum laude“. Die Auszeichnung mit dem Dissertationspreis, der 2020 von der Leipziger Stadtbau AG gestiftet wurde, zeigt aber nicht allein, von welch hoher gesundheitswissenschaftlicher, sozialer und politischer Relevanz ihre Forschung ist. So wurde das Projekt „Grünau bewegt sich“, an dem Igel maßgeblich mitgewirkt hat, 2019 mit dem Präventionspreis der Deutschen Adipositas-Gesellschaft gewürdigt.
Ulrike Igels fast 20-jährige wissenschaftliche Karriere an der HTWK Leipzig nimmt aber nun ein Ende, denn im April 2021 wird sie eine Vertretungsprofessur für „Soziale Arbeit im Sozialraum“ an der Fachhochschule Erfurt antreten. „Damit kann ich gut an meine bisherige Arbeit anknüpfen. Ich freue mich sehr darauf. Ich bleibe aber weiter in Leipzig wohnen und vielleicht konzipiere ich später auch mit den Kolleginnen und Kollegen der HTWK Leipzig gemeinsame Projekte“, so Igel.