Beim Talk „Women in Engineering" teilten vier talentierte Ingenieurinnen ihre Erfahrungen und Leidenschaft für den Fachbereich mit dem Publikum.
Beim Talk „Women in Engineering" im Rahmen des Fakultätsfests der Fakultät Ingenieurwissenschaften teilten am 24. Mai 2023 vier talentierte Ingenieurinnen ihre Erfahrungen und Leidenschaft für den Fachbereich mit dem Publikum. Was sie auf ihrem Karriereweg weiter brachte, bot nicht nur Studentinnen Raum für Inspiration.
Prof. Anke Bucher, M.Sc. Lydia Schott, M.Eng. Leslie Klawitter und Dr. Olga Naumov stellten sich dabei den Fragen von Amelie Merbach, Referentin für Gleichstellung und Inklusion des Fachschaftsrates Ingenieurwissenschaften und M.A. Therese Pagel.
Wenn man Leslie Klawitter, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Nachwuchsforschungsprojekt „GreenInnoSax“ fragt, was sie dazu bewegt hat, Energie-, Gebäude- und Umwelttechnik an der HTWK Leipzig zu studieren, erzählt sie: „Als Schülerin habe ich bereits den Drang verspürt, aktiv gegen den Klimawandel vorzugehen und entwickelte so ein Interesse an regenerativen Energiequellen. Da war es ein Glücksfall, dass mich meine Physiklehrerin gezielt darin bestärkt hat, mich weiterzubilden.“ Neben dem interessanten Studiengang zog sie auch die Stadt Leipzig an. Für Lydia Schott, Doktorandin der Elektrotechnik und Testingenieurin bei der SENEC GmbH Leipzig, führte der Weg über das Solartechnik-Studium an die HTWK Leipzig, um hier den Master in Elektro- und Informationstechnik zu absolvieren. Dass eine Promotion etwas für sie sein könnte, wurde ihr erst klar, als sie von Prof. Faouzi Derbel darauf angesprochen wurde. „Ich dachte immer, promovieren sei nur etwas für die allerbesten. Dass auch ich als gute Absolventin das schaffen kann, war mir gar nicht bewusst – auch nicht, wie eine Promotion überhaupt abläuft.“ Im Nachhinein ist sie froh, dass sie diesen Schritt ins Unbekannte gewagt hat und stolz darauf, nun als Doktorandin Expertin auf ihrem Gebiet zu sein.
Für Dr. Olga Naumov, heute Seniormanagerin für Technologie und Innovationsprojekte bei den Stadtwerken Leipzig, und aus einer Familie promovierter Physikerinnen und Physiker stammend, war mit dem Promotionsprozess bereits vertraut. Dass sie mit ihrem Promotionsthema im Bereich der Brennstoffzellen- und Batterieforschung zu einer energierelevanten Fragestellung forschen würde, war glücklicher Zufall. Sie erzählt: „Durch meine Promotion hatte ich mir bereits fundiertes Wissen angeeignet. Meine Funktion als Stadträtin brachte mich schließlich in den Fokus der Stadtwerke Leipzig für eine Position mit Möglichkeit zur Gestaltung von Zukunftsprojekten.“
Bei Prof. Anke Bucher war es ebenso eine glückliche Fügung, die sie auf den Weg zur Professur führte. Hätte man ihr, nach ihrem Studium prognostiziert, dass sie einmal Professorin für Angewandte Mechanik werden würde, hätte sie das vermutlich nicht geglaubt. Von einem ehemaligen Kommilitonen wurde sie auf ein Graduiertenkolleg an der TU Chemnitz mit spannendem Promotionsthema aufmerksam gemacht. Sie bewarb sich erfolgreich. „Als ich anfing, zu promovieren, merkte ich, wie viel Spaß mir das Forschen macht. Ab diesem Zeitpunkt strebte ich eine Professur an“, erinnert sie sich zurück. Durch ihre Tätigkeit in DFG-Projekten und ihre Vertretungsprofessur in Angewandter Mechanik an der HTWK Leipzig, verfestigte sich dann dieses Karriereziel. Heute genießt sie die Vielfältigkeit ihres Berufs: fundiertes Wissen vermitteln, forschen und Studierende bei der Planung ihrer Auslandsaufenthalte unterstützen – all das möchte sie nicht mehr missen. Die verschiedenen Lebensläufe zeigen, dass Karrierewege oft per Zufall, aber auch durch gezielte Förderung eigener Interessen geprägt werden.
Aus Misserfolgen lernen
Im Gespräch wird deutlich, dass nicht immer alles nach Plan und geradlinig verläuft. Alle vier bestätigen, dass die Aussage „Aus Misserfolgen lernt man“ keineswegs eine Plattitüde ist. Der Umgang damit sei entscheidend. Prof. Bucher betont: „Es ist unvermeidlich, dass mal etwas schiefgeht. Ich betrachte Misserfolge als Chancen, an denen ich wachsen kann. Es lohnt sich, schwierige Phasen und Momente auszuhalten und zu reflektieren: Was kann ich daraus lernen und wie könnte ich damit beim nächsten Mal umgehen?“. Zudem empfiehlt Prof. Bucher, in sich zu gehen und die eigenen Erfolge wahrzunehmen und wertzuschätzen.
Externer Input kann einem dabei auch die Augen öffnen. So hat Lydia Schott ein Coaching genutzt und ermutigt andere, solche Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen. „Es hat mir geholfen, meine Stärken zu erkennen und Klarheit über meine berufliche Zukunft zu gewinnen. Gerade während meiner Promotion war das sehr hilfreich.“ Dr. Olga Naumov pflichtet dem bei und ergänzt: „Ich suche gerne Rat in meinem Umfeld. Das können Menschen aus meinem Freundeskreis oder Arbeitsumfeld sein oder sogar inspirierende Persönlichkeiten, denen ich auf Konferenzen begegnet bin.“
Sich selbst anerkennen
Die Anerkennung der eigenen Leistung stellt ein zentrales Thema dar, mit dem die Ingenieurinnen während des Studiums und auch später immer wieder konfrontiert werden. Jede von ihnen hat die Erfahrung gemacht, dass sie als Frau mehr leisten musste, um die gleiche Anerkennung zu erhalten. Professorin Bucher teilt ihre Erfahrung aus der Industrie in Frankreich, wo sie als Frau und Ausländerin nur Zeitarbeitsverträge erhielt, während frisch gebackene französische Uniabsolventen direkt eine feste Anstellung angeboten bekamen. Diese Ungerechtigkeit hat sie mit dazu motiviert, neue Wege zu beschreiten und ihren eigenen Wert zu erkennen.
In diesem Zusammenhang spielt die Kommunikation mit Vorgesetzten und Teammitgliedern eine wichtige Rolle. Leslie Klawitter betont die Bedeutung, den eigenen Standpunkt klar zu vertreten und erklärt: „Ein gesundes Selbstbewusstsein schadet nicht. Ich habe gelernt, dass auch meine Meinung und meine Beiträge wichtig sind und verschaffe mir inzwischen auch in größeren Runden Gehör. Gerade in eingespielten Teams oder bei Gesprächen mit erfahrenen Personen hat mich das anfangs Überwindung gekostet“. Dr. Naumov ergänzt zur Kommunikation, dass zudem in der Arbeitswelt viel über die Beziehungsebene läuft und rät dazu, das eigene Netzwerk zu pflegen.
Zeit ist ein kostbares Gut: Egal ob Promovendin, Professorin oder wissenschaftliche Mitarbeiterin, viel zu tun gibt es immer. Nicht selten ist dabei der eigene Anspruch, alles perfekt zu machen, ein Zeitfresser. So berichtete Dr. Naumov, dass sie persönlich immer nach perfekten Ergebnissen strebte, während sich ihre männlichen Kollegen bereits mit gefühlt 80 Prozent zufriedengaben. Das führt zu unnötigem Druck. „Es ist wichtig, realistische Erwartungen an sich selbst zu haben und zu akzeptieren, dass man nicht alles perfekt machen kann“, erklärt sie. „Indem man sich auf die wesentlichen Aufgaben konzentriert und sich von unnötigem Perfektionismus befreit, kann man wertvolle Zeit sparen und dennoch gute Ergebnisse erzielen.“
Wertvolle Stimmen und Vorbilder
Die Podiumsdiskussion verdeutlicht, dass Frauen in der Ingenieurbranche eine wertvolle Rolle spielen und dass ihre Stimmen und Perspektiven von entscheidender Bedeutung sind, um innovative Lösungen für die Herausforderungen der heutigen Welt zu finden. Die Ingenieurinnen möchten insbesondere Studentinnen dazu ermutigen, „dranzubleiben“ und nicht aufzugeben. Dass ihre Botschaft Gehör findet, zeigt die Resonanz auf den Talk. So betont eine Studentin nach der Veranstaltung „Im Studienalltag haben mir häufig weibliche berufliche Vorbilder gefehlt. In fünf Jahren Studium hatte ich z.B. nur eine einzige Professorin. Umso wichtiger finde ich daher solche Veranstaltungen, in denen Frauen in ‚Männerdomänen‘ von ihrem beruflichen Werdegang berichten.“
Veranstaltungshinweis: FLINTA*-Treff
Seit dem Sommersemester 2022 findet an der Fakultät Ingenieurwissenschaften einmal pro Semester ein FLINTA*-Treff für alle FING-Studierenden statt. Bei Kaffee und Kuchen können sich die Studierenden vernetzen. Jeder zweite Termin findet zudem mit einem Vorbild aus den Ingenieurwissenschaften statt. Der FLINTA*-Treff wird von Amelie Merbach vom FSR ING organisiert. Über den nächsten Termin – voraussichtlich im November – wird zu Beginn des Wintersemesters informiert.