Nicht nur die Studierenden sind fleißig an der HTWK Leipzig: Seit Mitte Juni lebt auf dem Campus ein Bienenvolk. Betriebswirtschafts-Student Simon Hauser kümmert sich darum.
Die gelbe Kiste steht ganz unscheinbar da. Wenn man nicht weiß, was drin ist, könnte man sie auf dem Dach des Föppl-Baus leicht übersehen. Doch als Simon Hauser behutsam den Deckel hebt und eines der Rähmchen herauszieht, ist um den Kasten herum einiges los. Das Summen ist zunächst leise und unbestimmt, wird dann aber mit jedem Tier, das herausschwirrt, lauter: Auf dem HTWK-Campus lebt seit Mitte Juni ein Bienenvolk. Simon Hauser, Betriebswirtschafts-Student im zweiten Semester, betreut die rund 10.000 Bienen. Gemeinsam mit Jochen Holdt, Mitarbeiter an der Fakultät Bauwesen und Hobby-Imker, hat er das Projekt gestartet.
Simon Hauser kommt aus einem Dorf in der Nähe von München. Seine Eltern haben einen Biobauernhof, sein Großvater ist Imker. „Als Kind war ich immer der erste, der den frisch geschleuderten Honig probieren durfte“, erzählt er. Von seinem Opa schaute er sich dann vieles ab. Zum Studieren zog Hauser nach Leipzig, wo er unbedingt sein eigenes Bienenvolk betreuen und wieder imkern wollte. Ein Freund brachte ihn auf die Idee, das mit Unterstützung der Hochschule zu tun. So sprach er Jochen Holdt an und bat ihn um Hilfe.
Das Volk, das jetzt auf dem HTWK-Campus lebt, hat Holdt wild gefangen. Ein Spaziergänger hatte es an einer Hauswand entdeckt. Jochen Holdt nahm den Schwarm mitsamt der bereits gebauten Waben von der Hauswand ab und rettete es durch Umsetzen in die Bienenkiste.
Für die „Beute“ – so bezeichnet man den Kasten, in dem das Volk lebt – gab es finanzielle Unterstützung vom StuRa, ebenso wie für die Ausrüstung. Dazu gehören zum Beispiel Stockmeißel zum Öffnen der Beute, Abkehrbesen zum Abkehren der Bienen von der Wabe und drei Schutzanzüge. Die laufenden Kosten zahlt die Hochschule, die das Projekt unterstützt.
Martin Schroeder, Referent für Öffentlichkeitsarbeit beim StuRa, ist auch begeistert davon: „Für genau solche Ideen haben wir im Haushalt ein Budget für Studentische Initiativen vorgesehen“, sagt er. Der StuRa unterstütze Simon in seinem Wunsch, ein „hochschulweites Bewusstsein für den aktiven Umweltschutz zu schaffen und die Bienen als wichtige Akteurinnen der Natur ins Rampenlicht zu rücken“.
Nur ein paar Flügelschläge bis zum Auwald
Das Dach des Föppl-Baus ist als Standort gut geeignet. Die Bienen fliegen in einem Radius von etwa drei Kilometern aus, sodass sie von der Hochschule aus leicht den nahegelegenen Auwald erreichen. Hauptsächlich ernähren sich die Insekten dort von Lindenblüten, die es in Leipzig zu Genüge gibt. Dafür ist die Stadt in der Branche deutschlandweit bekannt. Zur Hauptblütezeit im Juni reisen sogar Imker aus dem ganzen Land mit ihren Wandervölkern nach Leipzig, um Lindenblütenhonig zu ernten. Für die HTWK-Bienen sind die Blüten nur wenige Flügelschläge entfernt.
Stadtimkerei liegt in Zeiten von Urban Gardening nicht nur im Trend, sondern ist auch spätestens seit dem in diesem Jahr erschienenen Bericht des Weltbiodiversitätsrats zum weltweiten Artensterben in aller Munde. „Rettet die Bienen“ ist in Bayern und Baden-Württemberg zum Volksbegehren geworden und so setzen sich bundesweit viele Menschen für die Tiere ein – wenn auch nicht alle mit einer solchen Hingabe, wie sie Simon Hauser an den Tag legt. Da die Blütezeit mittlerweile vorbei ist, gibt es für ihn viel zu tun. Erst im Juli ist die Königin geschlüpft, die nun möglichst viele Eier legen soll, damit das Volk wächst. Die Bienenanzahl in einem Volk ist stark saisonal geprägt. Im Juni und Juli wird in der Regel der Höchststand mit circa 50.000 Bienen erreicht. Also verteilt Hauser eine Zuckerlösung als Nahrung im Bienenkasten und auch drum herum. Die Bienen fliegen aus und die Königin „denkt“, dass es viele Blüten gibt. Also produziert sie „Stifte“, wie die Eier im Fachjargon heißen. „Wir täuschen ihr da ein bisschen was vor. Aber noch hat sie es nicht gemerkt und wir hoffen, dass das auch so bleibt“, sagt Simon Hauser und lacht. Was er nicht von seinem Opa weiß, las er sich an und schaute es sich einiges aus YouTube-Videos ab.
Hochschul-Honig aus eigenem Hause
Damit Simon Hauser sich nicht allein um das Volk kümmern muss und auch, damit es die Bienen auf dem Campus noch gibt, wenn er nicht mehr studiert, hat der Student auf dem Hochschulsommerfest für sein Projekt geworben. Dadurch hat er drei Mitstreiter gewonnen. Die seien zwar noch nicht so erfahren in der Imkerei, können aber von ihm lernen und ihn unterstützen. Rund um die Bienen entsteht also gerade eine kleine Hochschulgruppe.
Auch das befürwortet Martin Schroeder vom StuRa: „Mit einer Hochschulgruppe würden Simon und seine Mitstreiter*innen fest an der Hochschule verankert werden und könnten unsere Ressourcen mit nutzen.” Simon will gern noch ein zweites Volk, vielleicht auch ein drittes, auf dem Campus ansiedeln. Dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass zumindest ein Volk den Winter überlebt.
Im nächsten Jahr könne es dann bereits den ersten HTWK-Honig geben. „So etwa 30 Kilo können das schon werden. Das sind rund 60 Gläser“, schätzt Hauser. Verkaufen will er den Honig jedoch nicht. „Es werden schon viel zu viele Dinge kommerzialisiert“, begründet er diese Entscheidung. Er möchte den Honig lieber an Leute verschenken, die sich in der Hochschule engagieren – wenn Studierende oder HTWK-Angehörige Preise erhalten oder auch zu Absolventenfeiern könnte es also in Zukunft nicht nur einen Strauß Blumen geben, sondern das Ganze auch mit einem Glas Honig aus eigenem Hause versüßt werden.