Seit mehr als einem Jahr schwirrt neben Studierenden und Lehrenden noch eine weitere fleißige Gruppe über den HTWK-Campus: 75.000 Honigbienen
Einmal die Woche macht sich eine Gruppe Studierender in professioneller Imkerkleidung auf zum Dach des Föppl-Baus, um nach ihren tausenden Schützlingen zu schauen. Dies ist Routine, seit Jochen Holdt, Mitarbeiter an der Fakultät Bauwesen und Hobby-Imker, und Simon Hauser, Betriebswirtschafts-Student im Juni 2019 ein wildes Bienenvolk einfangen und auf den HTWK-Campus umsetzen konnten. Mittlerweile leben zwei Völker mit jeweils 35.000 und 40.000 Bienen hier auf dem Dach und das studentische Imker- und Imkerinnen-Team ist auf sechs Mitglieder gewachsen. Seit Mai sind auch Annik Helzel, die Soziale Arbeit studiert, und Julian Warnke, Wirtschaftsingenieurswesen-Student, dabei. „Ich hatte gar keine Erfahrung, ich hatte nur super Lust mitzumachen“ erzählt Julian.
Seitdem haben sie gelernt, mit den Bienen umzugehen und waren bei dem gesamten Prozess der Honiggewinnung dabei. Auch Simon ist glücklich mit der Bilanz aus dem ersten Jahr: „Wir haben ein engagiertes, ungemein vielfältiges Team aufgebaut, bei dem alle einen großen Mehrwert stiften.“ Für die Zukunft wünscht er sich, das studentische Imkern in der Hochschule fest zu verankern, damit auch über seine Studienzeit hinaus „über Jahrzehnte Studierende an das Imkern herangeführt und zu verantwortungsvollen Imkern und Imkerinnen ausgebildet werden.“
Im Winter 2019 jedoch war zunächst ein Rückschlag zu verschmerzen, das Projekt drohte zu scheitern: Das erste, wilde Volk schaffte es nicht über die kalte Jahreszeit, und das Imker-Team musste über eine Bienentauschbörse im Internet zwei neue Völker bestellen. Die circa 10.000 bis 20.000 Bienen kosteten mit Versand rund 370 Euro und wurden – so ist es durchaus üblich - mit der Post verschickt. Seitdem haben sie sich gut eingelebt. Als es im April dann wieder wärmer wurde, begannen sie auszufliegen und Nektar und Honigtau zu sammeln. In der „Beute“ – dem Kasten, in dem das Volk lebt – stellen sie daraus den Honig her und lagern ihn in Waben ein.
Die Beute ist zweistöckig aufgebaut; die Stockwerke sind mit einem Gitter abgetrennt: Da die Brut unten bei der Königin heranwächst, lagert oben ausschließlich der Honig. Dank dieses Aufbaus kann der obere Raum einfach geöffnet werden, ohne dass Brutzellen zwischen die Honigwaben geraten.
Fleißige Bienen: Neun Kilogramm HTWK-Honig im ersten Jahr
Im Juli brachten die Studierenden den vollen sogenannten „Honigraum“ in die Imkerei von Jochen Holdt und machten sich an die Arbeit: Zuerst müssen die Waben „entdeckelt“ werden, denn die Bienen versiegeln die Öffnungen mit einer Wachsschicht. „Dieses Wachs wird später eingeschmolzen für Kerzen oder Wachsplatten – wir wollen alles verwenden, was entsteht“, betont Annik Helzel. Sind die Waben offengelegt, kommen sie mitsamt der Rahmen in eine Schleudermaschine. Hier werden sie geschleudert, bis die Zentrifugalkräfte den Honig aus den Zellen lösen und er in ein Sammelgefäß tropft. Zum Schluss gilt es noch, die Konsistenz und den Wasseranteil zu kontrollieren, und schon kann der Honig in die Gläser gefüllt werden.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Neun Kilogramm Honig haben die HTWK-Bienen in ihrem ersten Jahr produziert: Das sind 36 Gläser á 250 Gramm. Viele der Gläser gingen als Dankeschön an die Unterstützer und Unterstützerinnen des Bienenprojekts, die restlichen sollen bei besonderen Anlässen an der HTWK verschenkt werden.
Der Wasseranteil liegt mit 16 Prozent laut Jochen Holdt im idealen Rahmen – überhaupt sei er überrascht, wie gut der Honig für das erste Mal geworden ist. Anhand der Farbe könne man sogar ein Stück weit nachvollziehen, wo sich die Bienen herumgetrieben haben: „Die dunkle Farbe spricht für Waldblütenhonig, also waren sie wahrscheinlich viel im Auwald unterwegs“, erklärt Annik. Normalerweise fliegen Bienen in einem Umkreis von zwei Kilometern, die häufigsten Stationen in einem urbanen Umfeld wie Leipzig sind Balkone und Gärten.
Den restlichen Sommer über sammeln die Bienen für sich selbst: Sie bauen ihren Wintervorrat auf, der sie über die kalten Monate versorgen soll. Auch das wird von den Imkerinnen und Imkern beobachtet und notfalls unterstützt: „Falls sie nicht genug aus der Umgebung sammeln, füttern wir mit Zuckerwasser zu.“ Denn im Winter bleiben die Bienen zuhause. In einer engen Traube scharen sie sich um ihre Königin und vibrieren mit den Flügeln, um Wärme zu erzeugen. „In der Traube kann es bis zu 40 Grad Celsius warm werden!“ sagt Annik und klingt dabei selbst ganz beeindruckt.
Studentisches Imkern: Bienenpflege, Sozialstudien und Völkerverständigung
Bis dahin gibt es für das Team aber noch mehr zu tun: Einmal pro Wochen kontrollieren einige Mitglieder, wie es den Bienen geht. „Wir schauen, wie das Volk drauf ist, ob die Bienen sanftmütig oder aggressiv sind, und prüfen, wie viel Honig, wie viel Brut und wie viel Pollen wir sehen,“ zählt Julian auf. Hierfür gibt es eine Liste zum Abhaken, aber das Team ist auch mit Herzblut für seine Völker da: Bei der Stippvisite werden Wespen verscheucht, die in die Beute eindringen wollen und müde Bienen, die auf der Imkerkleidung landen, werden behutsam nach Hause getragen. Eine torkelnde Biene sofort besorgt beobachtet und gefilmt. Annik erklärt: „Das schicken wir an eine befreundete Imkerin, um auszuschließen, dass sie krank ist oder einen Milbenbefall hat.“
Monarchiekrise im Bienenvolk
Ein weiterer Punkt auf der Liste ist die Gesundheit der Königin, die zentral für die Balance im Volk ist. „Wenn die Arbeiterinnen unzufrieden sind, können sie ihre Königin vertreiben oder sogar auffressen“, erzählt Julian. Erst Anfang des Jahres habe eines der Völker seine Königin umgebracht und stand somit für längere Zeit ohne Nachwuchs da. „Wir haben dann ein bisschen nachgeholfen“, ergänzt Annik schmunzelnd. „Königinnen schlüpfen aus speziellen Weiselzellen. Wir haben eine eingesetzt, die im anderen Volk gebaut worden war und daraus haben die Bienen eine neue Königin herangezogen. Seitdem geht es ihnen besser.“ Trotz der engen Nachbarschaft gibt es ansonsten keinen Austausch zwischen den Völkern. Wächter passen am Eingang auf, dass nur heimische Bienen in die Beute kommen. Ihr eigenes Zuhause erkennen die Bienen am speziellen Geruch. „Sie zeigen aber auch keine Rivalität“, sagt Julian. „Manchmal haben wir uns schon gefragt, ob sie befreundet sind.“