Nicht nur Privatpersonen shoppen online: Auch Unternehmen kaufen und verkaufen untereinander digital – Bestandsaufnahme des digitalen B2B-Vertriebs
Durch die Corona-Pandemie kauften immer mehr Menschen online ein und der sogenannte Business-to-Customer-Onlinehandel (B2C) nahm in den vergangenen zwei Jahren rasant zu. Ob eine vergleichbare Entwicklung beim Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen (Business-to-Business, B2B) zu verzeichnen ist, untersuchte die HTWK Leipzig mit Unterstützung von T-Systems Multimedia Solutions in einer gemeinsamen Studie. Dafür befragten Holger Müller, Professor für Supply Chain Management an der HTWK Leipzig, und sein Mitarbeiter Marcel Graf 45 Personen aus Unternehmen, ob, seit wann, wie und mit welchem Ziel sie digital mit anderen Unternehmen Geschäfte abwickeln – beispielsweise in elektronischen Shops, auf Marktplätzen oder mithilfe von Tools für Kundenanfragen.
Digitales B2B im Vertrieb noch Neuland
Die Forscher fanden heraus: Fast die Hälfte der befragten Unternehmen nutzt den direkten digitalen B2B-Vertriebskanal weniger als drei Jahre und haben demzufolge den Einstieg vermutlich vor allem bedingt durch die Corona-Pandemie gewagt. Knapp 40 Prozent der Unternehmen können auf eine Erfahrung von mehr als fünf Jahren zurückblicken.
Im Durchschnitt erzielen die Unternehmen im direkten digitalen Vertriebskanal bisher etwas mehr als ein Viertel des gesamten B2B-Umsatzes. Er ist demzufolge ein wesentlicher Baustein des Gesamtumsatzes geworden – wobei der Anteil zwischen den Unternehmen erheblich streut.
Quo vadis?
Weitere Erkenntnisse resümiert Holger Müller: „Erstaunlicherweise haben knapp ein Drittel der Unternehmen keine Ziele für den digitalen B2B-Vertriebskanal definiert. Und von denjenigen, die Ziele definiert haben, kann nur die Hälfte die Ziele vollständig messen. Die meisten wissen also nicht, wo sie eigentlich stehen oder hinwollen. Fast folglich sind weniger als die Hälfte der Unternehmen ist mit dem eigenen Stand zufrieden.“
Sechs Erfolgsfaktoren
Die Forscher haben in der Studie analysiert, was das Handeln und die Einstellung erfolgreicher Unternehmen auszeichnet. Dabei konnten sie sechs Erfolgsfaktoren erkennen:
1. Unterstützung durch die Geschäftsführung und Fokus auf den digitalen Kanal
Die Unterstützung durch die Leitungsebene ist ein wesentlicher Faktor für die Etablierung eines digitalen Vertriebskanals. Bei erfolgreichen Unternehmen ist diese überproportional gegeben. Damit einher geht eine klare Prioritätensetzung – der digitale Vertriebskanal etabliert sich nicht nebenbei.
2. Ziele definieren und messen
30 Prozent der Unternehmen haben keine Ziele definiert – von denjenigen, die sich Ziele setzen, können nur etwas mehr als die Hälfte diese messen. Eine klare Zielorientierung und -messung sind aber die Grundvoraussetzungen für den Erfolg.
3. Kontinuierlich investieren
Der digitale Vertriebskanal darf nicht als einmaliges Investitionsprojekt verstanden werden. Daten, Prozesse und Systeme bedürfen einer kontinuierlichen Pflege und Weiterentwicklung. Erfolgreiche Unternehmen investieren regelmäßig. Nebeneffekt: Keines der führenden Unternehmen war bisher Opfer einer Cyber-Attacke.
4. Nutzung mehrerer Systeme unterschiedlicher Betreiber
Es ist aktuell nicht ausreichend, sich auf ein System zu konzentrieren. Erfolgreiche Unternehmen nutzen parallel Lösungen mit verschiedenen Betreibern–neben dem eigenen System auch die Systeme der Kunden und von Dritten. Mittelfristig gibt es einen leichten Trend zum verstärkten Einsatz der eigenen Lösungen.
5. Integrierte Datenverwaltung
Die Datenqualität ist die Grundvoraussetzung für eine fehlerfreie Digitalisierung im B2B-Vertriebskanal. Erfolgreiche Unternehmen können hier die manuellen Eingriffe minimieren. Sie weisen einen höheren Integrationsgrad der Systemlandschaft auf und sind besser in der Lage, die relevanten Daten automatisiert zusammenzuführen und den Systemen bereitzustellen.
6. Ressourcen- und Kompetenzaufbau
Mangelnde interne Ressourcen wird als Hauptgrund für eine Behinderung des Ausbaus der Aktivitäten angegeben. Erfolgreiche Unternehmen stellen interne Ressourcen in ausreichendem Maße zur Verfügung und bauen gezielt IT-Kompetenzen auf. Dennoch wird vom Entwurf der Systeme, über die Implementierung und Testung bis hin zum technischen Betrieb gezielt mit Dienstleistern zusammengearbeitet, um deren spezifischen Kompetenzen zu nutzen.
Link zur Studie
Die Forscher werden in drei aufeinanderfolgenden Jahren die Befragungen wiederholen und die Ergebnisse jeweils in eigenständigen Studien frei zugänglich veröffentlichen. Die erste der drei Studien finden Sie unter diesem Link.