Forschende analysierten historische Karrierewege von Professoren und verknüpften dafür Datenbanken. Die sind nun online.
In Bibliotheken, Archiven und Museen in aller Welt lagern Dokumente, die von früheren Zeiten berichten. Vieles davon wurde inzwischen digitalisiert. Der digitale Datenschatz könnte neue Erkenntnisse über unsere Vergangenheit enthüllen – wenn er über klug aufgebaute Datenbanken erschlossen wird. Historikerinnen der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und Informatiker der HTWK Leipzig arbeiteten dafür, gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, im interdisziplinären Forschungsprojekt „PCP-on-Web“ zusammen. Sie analysierten professorale Karrieremuster der Frühen Neuzeit und entwickelten dafür eine wissenschaftliche Methode zur Forschung auf online verfügbaren und verteilten Forschungsdatenbanken der Universitätsgeschichte. Die Herausforderung: Bereits vorhandene Datenbanken mit Lebens- und Karrieredaten von Professoren mussten sinnvoll miteinander verknüpft werden. Dabei half ihnen das Semantic Web: Es stellt sinnvolle Zusammenhänge zwischen Informationen her – mithilfe von einer Einordnung in Subjekt, Prädikat und Objekt. „Online-Datenbanken können zeit- und kostenintensive Vor-Ort-Recherchen verkürzen und neue Forschungserkenntnisse zutage fördern“, so Informatik-Professor Thomas Riechert.
Karrierewege von Professoren in der Frühen Neuzeit
Historikerin Jennifer Blanke konnte nach Sichtung der verknüpften Datenbanken in der Forschung diskutierte Karrieremuster hinterfragen und neue Zusammenhänge erforschen: „Der starre Karriereweg zur Professur, wie wir ihn heute kennen – erst Studium, dann Doktortitel, Habilitation und schließlich die Berufung – war damals noch nicht etabliert. Dennoch gab es bestimmte Praktiken wie dem der Ancennität, die insbesondere in den Höheren Fakultäten Karrierewege regulierten. Mithilfe der Verknüpfung von entsprechenden Datenbanken im Semantic Web war es möglich, die unterschiedlichen Handlungsfelder von Professoren miteinander zu verknüpfen, nach sozialen Hintergründen zu fragen und Karrierebewegungen an den einzelnen Fakultäten zu beobachten. Die frühneuzeitliche Professorenschaft kann als intellektuelle Elite gelten. Ihre Handlungsfelder reichten weit über die Hörsäle hinaus. Professoren waren Wissensvermittler, politische Weisungsgeber und wirkten beispielsweise als praktizierende Ärzte, Anwälte, Prediger und Autoren. Diese Tätigkeiten hatten wiederum einen Effekt auf die akademische Karriere.“
Verknüpfte Datenbanken frei zugänglich
Auf die Frage nach einer neuen Methode zur Verknüpfung und Auswertung von Geschichtsdatenbanken haben die Informatiker der HTWK Leipzig eine umfassende Antwort parat: in Form von dokumentierten Algorithmen und Handbüchern. Forscherinnen und Forscher in aller Welt können die Informationen in Zukunft frei nutzen und ihre Projekte auf diesen Wissensstand aufbauen.
Prof. Dr. Thomas Riechert
(*1973) ist seit April 2014 Professor für Informationssysteme und Datenmanagement an der HTWK Leipzig. Zuvor forschte und promovierte er am Informatik-Institut der Universität Leipzig. 2006 baute er die Forschungsgruppe „Agile Knowledge Engineering and Semantic Web“ mit auf.