Auf der Fachtagung "Gedrucktes Vertrauen" im Museum für Druckkunst Leipzig beleuchteten Experten Historie, Bedeutung und Gestaltung von Aktien
Wie lässt sich das kulturelle Erbe der Aktien erschließen und bewahren? Rund 50 Teilnehmer waren am 24. Juni 2016 im Museum für Druckkunst Leipzig zur Fachtagung "Gedrucktes Vertrauen" zusammengekommen. Neben der HTWK Leipzig und ihrem Förderverein hatten hierzu die Vereinigung deutscher Wirtschaftsarchivare e. V. (VdW) und das Museum für Druckkunst eingeladen. In seiner Eröffnungsrede formulierte Prof. Dr. Dirk Schaal von der HTWK Leipzig die These von Aktienurkunden als Kultur- und Sammlungsgut bis in die Gegenwart.
Risiko-Finanzierung seit dem 17. Jahrhundert
Die anschließende Debatte über die Geschichte und Bedeutung der Aktie als Wertpapier und "gedrucktes Vertrauen" der Industriegesellschaften führten neun geladene Fachexperten, darunter Dr. Werner Scheltjens (Universität Leipzig), Astrid Wolff (Firmenhistorisches Archiv, Giesecke & Devrient GmbH, München) und Ulf Dräger (Kunstmuseum Moritzburg, Halle/Saale).
Dabei gelang es gleich dem ersten Redner, Werner Scheltjens, die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf die historische Bedeutung der Aktie als Teil des kommerziellen Prozesses zu lenken. Anschaulich stellte er die Herausbildung der Aktie und die Entwicklung ihrer Bedeutung dar. Scheltjens spannte den Bogen vom Bedürfnis der gemeinsamen Teilhabe an einem Unternehmen durch Erwerb einer Aktie zur Finanzierung risikobehafteter Geschäfte Anfang des 17. Jahrhunderts bis zum heutigen Sinnverständnis der Finanzierung von Massenproduktion und Infrastruktur durch Aktiengesellschaften.
Gedruckt in Leipzig
Dabei kam der Stadt Leipzig nach Aussage von Dr. Thomas Keiderling (Universität Leipzig) bereits ab Mitte des 19. Jahrhunderts eine zentrale Rolle bei der Ermöglichung des Aktienhandels auf deutschem Territorium zu. Schließlich sorgte unter anderem namentlich die spätere Leipziger Großdruckerei Giesecke & Devrient durch ihre kunstvoll gestalteten Aktiendrucke dafür, dass diese Dokumente als Geldanlage für die Zukunft in materieller Form in den Umlauf gelangten.
Maßgeblich für die unterstützende Stellung der Druckerei beim Aktienboom war dabei nach den Schilderungen Astrid Wolffs` die Tatsache, dass es ihr gelang, den Aktiendruck ab dem Jahre 1852 zügig zu perfektionieren.
Die Leiterin des Firmenhistorischen Archivs der Giesecke & Devrient GmbH berichtete im Zuge dessen von individuellen Facetten bei der Gestaltung, welche das Wertpapier einerseits optisch aufwerten und andererseits zum Schutz vor Fälschung beitragen sollten. So seien Aktienurkunden durch Sicherheitsmerkmale wie Prägestempel, Wasserzeichen und aufwendige mehrfarbige Rahmen besonders geschützt und nahezu fälschungssicher, ergänzte Kollege Marc Mittelstaedt.
Exzellentes Handwerk und technische Raffinessen beim Herstellungsprozess tragen zur Wirkung eines „Papiers von Wert“ bei, meinte Ulf Dräger. "Selbst wenn Aktien heute kaum noch gedruckt werden, bleiben sie das Blut der Volkswirtschaft neben Münzen und Kredit", so der Kustos des Landesmünzkabinetts Sachsen-Anhalt des Kunstmuseums Moritzburg in seinem zwanzigminütigen Vortrag zum Thema Traditionen und Vorbilder bei der Gestaltung von Aktien.
Aktien als wirtschaftshistorische Quellen
Doch auch jene Papiere, welche aus finanzieller Hinsicht heutzutage keinen Wert mehr besitzen, sind laut Aussage von Dr. Ulrich S. Soénius (Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln) zu Dokumentations- und Forschungszwecken bei der Nachvollziehung von Produkt- und Unternehmensgeschichten in Archiven von enormer Relevanz.
Diese Aussage griff Professor Schaal zum Ende der Veranstaltung auf, indem er die unter den Veranstaltungsteilnehmern diskutierte Herausforderung der noch weiterzuführenden Erschließung der Aktien thematisierte. Als Ausblick regte er an, einen entsprechenden Arbeitskreis im VdW zu gründen.
Weiterer Austausch vereinbart
Zugleich gelang es, das Ziel eines engeren fachlichen Austausches und einer intensiveren Kooperation bei Fragen des Bestandsaufbaus zu vereinbaren. Hierbei bestehe, darin waren sich die Tagungsgäste einig, sowohl zwischen den Archiven untereinander als auch in der Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen, welche über größere Wertpapierbestände verfügen, ein gewisser Nachholbedarf.
Was im Verlauf der Tagung immer deutlicher wurde, fasste Dr. Schaal in seinem Schlusswort zusammen: "Aktien sind Kulturerbe, das es zu schützen gilt."
Ab Juni 2017 soll der Tagungsband mit Beiträgen zur Veranstaltung und ihren Themen verfügbar sein.