EINBLICKE. Forschungsmagazin 2018 Gesundheit erhalten – Life Science & Engineering. Das „Internet der Dinge“ und die Digitalisierung haben es Dr. Gerold Bausch angetan. Das Versprechen: Mithilfe von Mikrorechentechnik werden verschie- den Geräte vernetzt und neue nützliche Produkte geschaffen. Mit seiner Forschergruppe will der Ingenieur diese Innovationskraft Leipziger Unter- nehmen näherbringen. Wie funktioniert dieser Forschungstransfer? Text: Katrin Haase, Foto: Marco Dirr. Tag für Tag stehen im Leipziger BMW-Werk Monteure am Fließband und schrauben Rück- spiegel an neue Karosserien. Dabei belasten sie immer wieder den rechten Arm. Im Hinter- grund steht eine Kamera, die jede Bewegung aufzeichnet und analysiert: Welche Muskel- partien wurden heute besonders beansprucht? Welche alternativen Bewegungen würden dem Arbeiter helfen, einen Ausgleich zu schaffen? Diese Kamera, die kontaktlos Biosignale des Körpers aufzeichnet und verarbeitet, haben Dr. Gerold Bausch und sein Forscherteam vom Laboratory for Biosignal Processing (LaBP) an der HTWK Leipzig in Kooperation mit BMW entwickelt, um die Gesundheit von Mitarbei- tern in Montageberufen zu verbessern. Aber das ist nur eines von vielen Projekten, die Bausch und sein Team seit 2014 erfolgreich vorantreiben. Erklärtes Ziel ist stets, gemein- sam mit regionalen Firmen innovative Technik bis hin zum verwendbaren Prototypen zu ent- wickeln. Die Spezialität der Ingenieure sind die bildbasierte Erfassung und Analyse von Biosignalen, die in medizinischen und vielen weiteren Bereichen Anwendung finden. Vor Ort Als ich Gerold Bausch in seinem Büro des For- schungszentrums Life Science & Engineering auf dem Gelände der ehemaligen Unikinder- klinik besuche, schaue ich in einen Spiegel, der mir in roter Schrift auflistet, welcher Eth- nie ich angehöre, wie alt ich bin und was für einen Puls ich gerade habe. Ich fühle mich gläsern und bin doch beeindruckt. Dane- ben steht ein Kinderbett für Neugeborene – ein weiterer Anwendungsbereich dieser For- schung deutet sich an: Wieviel einfacher wäre es, wenn Babys nicht Sensoren am Körper tra- gen müssten, um medizinisch überwacht zu werden, sondern eine Kamera die Aufzeich- nung und Interpretation übernimmt? Was bei Neugeborenen funktioniert, klappt natürlich auch bei erwachsenen Patienten. Nicht alle Räume des Labors sind so spannend: Die meiste Zeit sitzen die sieben Mitarbeiter und fünf Studierenden an ihren Computern in Rauhfaser-Büros und schreiben Software- Algorithmen, wissenschaftliche Aufsätze oder Projektanträge. Aber Gerold Bausch ist auch oft unterwegs, um seine Mission nach außen zu tragen. Er referiert auf Kongressen zum Thema Digitalisierung, ist bei Firmen vor Ort, bespricht aktuelle Projekte und zeigt Forschungsergebnisse, beratschlagt sich mit lokalen Partnern wie der Industrie- und Han- delskammer oder unterrichtet an der HTWK Leipzig „Digitale Signalverarbeitung“. Oftmals kann er hier Studierende für eine Mitarbeit in der Forschungsgruppe begeistern. Bausch macht das alles gern: „Das ist ein total ab- wechslungsreicher Job, hier habe ich mit so vielen Sachen zu tun: Ich bin Ideenentwick- ler, Verkäufer, Manager und Recruiter – das macht es total spannend.“ Forschungsimpulse für den Mittelstand Die ganze Umtriebigkeit dient dazu, For- schungsergebnisse und technisches Know- how in kleine und mittelgroße Leipziger Un- ternehmen zu transferieren. Aber wie läuft dieser oft beschworene „Transfer“ ab? Bausch beschreibt die Zusammenarbeit so: „In der Regel kontaktieren mich die Geschäftsführer per E-Mail oder rufen mich an, dann schau- en wir uns das Unternehmen und seine Ideen an. Es kristallisiert sich eine Richtung heraus. Als nächstes werden die Ziele, der Zeit- und Arbeitsplan und eine Finanzierung geklärt, dafür treffen wir uns regelmäßig. Wir versu- chen wie ein Start-up in kurzen Iterationszy- klen zu arbeiten. Deswegen bauen wir relativ schnell einfache Prototypen, damit wir über etwas Konkretes sprechen können. Am Ende des Projekts steht in der Regel ein Gebrauchs- muster, also ein Gerät oder eine Software, die demonstriert, dass die Idee grundlegend funktioniert.“ Um daraus ein robustes Pro- dukt zu machen, das in Serie gefertigt werden kann, sind noch viele Schritte notwendig. Das ist dann im Wesentlichen die Aufgabe des ko- operierenden Unternehmens. Das bedeutet, dass die Firma selbst Ingenieure unterhält, um aus dem Prototyp ein marktfähiges Pro- dukt zu machen. Der Forschungstransfer wird bis 2019 durch die Leipziger Stiftung für Innovation und Technologietransfer gefördert. Aber auch danach sind genügend Personal und Inves- titionen gefragt – eine Grundbedingung für Innovation, die nicht nur in der Schublade der Hochschule landet. Ideen gibt es zuhauf. Und die sind auch durchaus notwendig, erzählt Bausch: „Durch die Digitalisierung sehen sich sehr viele Unternehmen mit neuen, nie dage- wesenen Herausforderungen konfrontiert, die bisher kein Bestandteil ihres Kerngeschäfts waren. Wir möchten mit unserem Know-how Impulse liefern und bei der Entwicklung un- terstützen, damit die Region auch in Zukunft wächst.“ 53