Honorar, das klingt doch gut. Nach Zählbarem. „Das Honorar ist die direkte Vergütung von Leistungen“, startet denn auch der zugehörige Wikipedia-Artikel. Doch irren vermutlich viele, wenn sie hinter Honorarprofessoren eine besonders gut bezahlte Spezies wähnen. Denn das Gegenteil ist der Fall. Birgit Reißig und Thomas Schmertosch erzählen, warum sie trotzdem gern „Prof“ sind.
#Motivation
„Zu meinem Job gehört viel Management. Es ist schön, da mal auszubrechen.“ Sagt Birgit Reißig, 51, Honorarprofessorin für Jugendhilfeforschung. In Halle leitet sie die Außenstelle des Deutschen Jugendinstituts (DJI), in Leipzig hat sie mehrjährige Lehrerfahrung bei den Sozialwissenschaftlern an Uni und HTWK Leipzig. Das „Prof.“ vorm Namen sei tatsächlich aller Ehren wert – und, obwohl sie einen Doktortitel trägt, auch in DJI-Sphären ein zusätzliches wertvolles Attribut. Ihr Arbeitgeber ist daher nicht nur interessiert, sondern stellt Reißig für die Lehre auch frei. „Ohne solch ein Agreement würde es nicht gehen.“
„Mein Sohn ist schuld!“ Sagt Thomas Schmertosch, fast 66, Honorarprofessor bei den Automatisierern im Wiener-Bau. Seit kurzem im Ruhestand, bestanden jeher enge Kontakte zur HTWK Leipzig. Thematisch sowieso, aber auch geographisch: „Mein Büro war gleich um die Ecke.“ Und als einst der Junior nach gutem Abschluss beim Vater-Sohn-Gespräch und einem Bierchen frustriert monierte, dass er „genau das, was er selbst konkret brauche, an der HTWK nicht wählen könne“, bot er sich, sozusagen als Praktiker von nebenan, „seiner“ Fakultät an. Alternativer Grund: Für Schmertosch, den Aktivposten, ist das Wort Ruhestand eher eine Drohung als ein Freudenquell.
#Andocken
„Das war gar kein Problem!“, sagen beide. Und führen eine Menge Gründe ins Feld. Erstens ist die Hochschule ja keine Unbekannte, die Honorarprofs sind vernetzt: Thomas Schmertosch verweist insbesondere auf Prof. Tilo Heimbold, Birgit Reißig auf Prof. Heike Förster.
Dann: Die Studierenden seien froh über die Abwechslung und eine Außenperspektive. Schmertosch berichtet über eine Studentin, die sich nach erfolgreicher Betreuung der Bachelor-Arbeit mit zwei Flaschen Wein persönlich bedankt hat: „Das ging runter wie Öl!“
Man habe sich konzeptionell intensiv vorbereitet, sei überdies im Thema sicher. Das gern genutzte Attribut praxisnah wäre Understatement – man ist die Praxis, und deswegen hat die HTWK Leipzig sie ja ins Haus geholt. Reißig hält „ohnehin viele Vorträge“, Schmertosch sammelte ein ganzes Arbeitsleben lang Erfahrung in zahlreichen Automatisierungs-Projekten.
„Es braucht eine Handvoll, die mitzieht“, sagt Schmertosch über anfängliche Bedenken, die sich aber sofort zerstreuten. Auch Reißig war sich unsicher, ob das mit der Aktivierung gelingt: Inhaltlich dreht es sich bei ihr um empirische Methoden – nicht gerade als Lieblingsfach bekannt. „Ich bin begeistert von den Studierenden“, sagt sie heute über deren Kreativität, wenn es um Praxisbezüge geht. „Die kommen mit ganz eigenen Vorstellungen, laufen alleine los.“
#HTWK-Glanzlichter
„Abschlüsse mitzuerleben ist etwas Wunderbares“, meint Birgit Reißig und staunt über die Bandbreite der Themen – von der Rolle der Musik bei Demenzerkrankten über das Mädchenbild in der Jugendliteratur bis zur Symbolik bei Death-Metal-Musik. Zum Schmunzeln gebracht habe sie eine Arbeit über die „Vorteile einer polygamen Beziehung“. Reißig: „Ob da vielleicht eine persönliche Neigung ursächlich war?“
Bei den Automatisierern hat Schmertosch einige Praxisideen selbst mitgebracht: „Ich habe meine Studierenden in den nächsten Supermarkt geschickt. Brotschneidemaschine inspizieren. Konzept machen.“ Sein sommerlichstes Projekt lief unter dem Arbeitstitel „Eisdiele 4.0“ gemeinsam mit einem Leipziger Eiscafé und ist perspektivisch vielleicht sogar umsetzbar: Bestellt wird per WLAN, ein Roboter baut den Eisbecher zusammen. Vom zusätzlichen Showeffekt als Besuchermagnet ganz abgesehen.
#Geld
… ist ein eigenes Kapitel, kein Unterpunkt von #Motivation. Weil es nämlich keins gibt. Das lateinische honor heißt eben im engen Sinne „Ehre“ – woraufhin sogleich angemerkt werden muss, dass Ehrenprofessoren (h. c. für honoris causa) eine noch andere Kategorie bilden. Die bekommen den Titel zur Ehre, während Honorarprofessoren es für die Ehre tun – und ein paar Reisekosten. Immerhin: Nach fünf Jahren Tätigkeit als solcher darf man den „Prof.“ behalten, lebenslang.
Außer Spesen also nichts gewesen? Finanziell tatsächlich nicht! Daher tun Hochschulen gut daran, wenn sie ihre Ehrenamtler in anderer Weise würdigen. Ein eigenes Büro ist nicht möglich, eine direkte Anbindung an den Hochschulbetrieb schwierig – aber Honorarprofs brauchen, so ist zwischen den Sätzen herauszuhören, doch hin und wieder ein klares Dankeschön, damit sich das Team-Gefühl einstellt.
#Und-sonst-so?
„Ein bisschen Personalakquise steckt auch dahinter“, verrät Birgit Reißig und spricht aus der „Chefin-von-50-Mitarbeitern“-Perspektive. Automatisierer Thomas Schmertosch nickt: Sein früherer Arbeitgeber B&R Industrial Automation beschäftigt eine ganze Reihe HTWK-Absolventen sogar europaweit. Wer da wohl das Bindeglied war?
Die Hälfte der soeben erwähnten Hallenser DJI-Belegschaft lernte die Hochschule schon physisch kennen: Weihnachtsfeier 2017, in den neuen Ateliers der Fakultät Architektur und Sozialwissenschaften. „Tolle Feier in toller Atmosphäre“, resümiert Reißig.
Ach ja: Wenn Honorarprofessoren lehren, tun sie es meist per Blockunterricht. Nicht immer einfach zu organisieren für Studierende und Raumplanung, wissen Reißig und Schmertosch und bitten um Nachsicht: Andersherum wäre ihr Ehrenamt kaum zu leisten.
(Autor: Reinhard Franke)