Michael Schmeißer studierte an der HTWK Leipzig Informatik (Master-Abschluss 2013). Danach begann er als Entwickler bei mgm technology partners in Leipzig und ist seit 2017 dort als Projektleiter angestellt. Momentan arbeitet er mit daran, dass die Steuererklärung so papierlos wie möglich wird. Im Alumni-Interview berichtet er von zuviel Code, guten Strukturen und davon, dass alles vor halb 9 vermeidbar sein müsste.
Mit welchem Gefühl denken Sie heute an ihre Studienzeit zurück?
Michael Schmeißer: Mit einem sehr guten Gefühl. Man braucht nicht alle Inhalte aus der Studienzeit gleichermaßen im Arbeitsalltag, aber das Studium hat mir sehr viele verschiedene Themengebiete nähergebracht und mir auch einiges an Selbstorganisation abverlangt, die ich heute gut gebrauchen kann. Außerdem empfand ich unseren Jahrgang immer als einen mit sehr viel Kooperation, wodurch das Studium auch eine Menge Spaß gemacht hat. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, arbeite ich auch weiterhin gern mit Hochschulen und Studenten zusammen, auch wenn ich mich selbst für den Weg in die Wirtschaft entschieden habe.
An welche Situation, Person oder an welches Detail an der HTWK Leipzig können Sie sich gut erinnern und warum?
Ich kann mich sehr gut an den ICFP Contest 2010 erinnern. Im Rahmen eines Wahlmoduls haben wir mit Prof. Waldmann gemeinsam einen internationalen Programmierwettbewerb ausgerichtet. Als Backend zur Bewertung der Einsendungen der Teilnehmer diente das Autotool und wir haben mit Java und Spring einen Server als Frontend für die Nutzerverwaltung und Annahme der Abgaben dazu gebaut. Der ganze Contest findet nur an einem Wochenende statt und wir hatten dann Samstag furchtbare Performance-Probleme, wodurch keine Abgaben für die Nutzer mehr möglich waren. Das war der worst case. Nach einer entsprechend kurzen Nacht haben wir uns dann alle gemeinsam im Pool ans Debugging gemacht und Prof. Waldmann hat mit Haskell die Logfiles ausgewertet. Am Ende haben wir das Problem zum Glück in den Griff bekommen. Es war nur eine Zeile im Code zu viel.
Auf welche Erfahrung hätten Sie gern verzichtet?
Im Nachhinein verzichte ich ungern auf Erfahrungen, da einen selbst unangenehme Situationen für die Zukunft weiterbringen. Wenn ich es mir hätte aussuchen können, hätte ich aber gern auf Vorlesungen und Prüfungen vor halb 9 verzichtet.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?
Mein typischer Arbeitstag beginnt wie vermutlich bei vielen mit einem Kaffee und E-Mails abarbeiten. Anschließend besteht mein Tag oft aus einigen Meetings zur gezielten Abstimmung von Themen oder zum allgemeinen Austausch im Team oder Projekt. Ab einer gewissen Menge von Meetings lernt man es auf jeden Fall zu schätzen, wenn der Organisator das Meeting gut vorbereitet, in dem er eine klare Agenda kommuniziert, während des Meetings moderiert, damit Diskussionen nicht aus dem Ruder laufen und anschließend ein Protokoll für alle nachbereitet. Abgesehen davon ist es tatsächlich sehr unterschiedlich, je nachdem was gerade ansteht. Oft kümmere ich mich darum, dass die Release-Planung aktuell ist, wir genug Budget für unsere Arbeiten haben und alle Kollegen optimal arbeiten können. Abgesehen davon führe ich regelmäßig Bewerbungs- und Mitarbeitergespräche und schreibe gelegentlich Beiträge auf firmeneigenen oder externen Blogs und spreche auf Konferenzen und Workshops.
An welchem Projekt arbeiten Sie zurzeit?
Aktuell arbeite ich im Projekt ElsterOnline am Portal "Mein BOP" (https://www.elster.de/bportal/start). Auf diesem Portal können Formulare elektronisch an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelt werden. Unser Schwesterportal "Mein Elster" setzt auf dieselbe technologische Basis und ist sicherlich vielen von ihrer Einkommenssteuererklärung geläufig. Da unsere Portale Steuerabgaben annehmen und verarbeiten müssen, liegt ein besonderer Fokus des Projektes auf Sicherheit, Bedienbarkeit und Barrierefreiheit. Fehler wiegen bei so einem Anwendungsfall außerdem besonders schwer, weswegen wir auch höchste Ansprüche an die Qualitätssicherung anlegen.
Welchen Ratschlag würden Sie Studierenden Ihres Faches aus heutiger Sicht geben?
Nehmt euch Zeit und überlegt, welche Themen euch wirklich interessieren. Ich habe selbst für meine Masterarbeit eine ganze Weile nach einem passenden Thema gesucht. Man bekommt die Zeit in der Regel nicht noch einmal, um sich so intensiv mit Wunschthemen zu beschäftigen. Und es gibt nichts Schlimmeres, als eine Arbeit zu einem Thema zu verfassen, das man selbst langweilig findet. Außerdem: Sucht euch neben dem Studium einen Job als Werkstudent und sammelt dort bereits Erfahrung als Entwickler. Man ist als Absolvent dann deutlich wertvoller als jemand, der keine Praxiserfahrung hat.
Was würden Sie heute anders machen?
Ich würde rückblickend bei Gruppenprojekten im Studium ein klareres Vorgehen vorschlagen. Insbesondere Projekte ohne festes Zeitlimit sind oft sehr lange liegen geblieben. Dadurch hat sich dann später oft unnötiger Stress ergeben.
Was hat Sie in Ihrem Berufsleben überrascht – positiv und negativ?
Positiv überrascht hat es mich, dass man viele der Prinzipien aus dem Studium im Arbeitsalltag sinnvoll anwenden kann. Die Kunst ist es hierbei, das richtige Prinzip auf den richtigen Anwendungsfall zu übertragen, dabei lernt man nie aus. Bei Enterprise-Anwendungsfällen kann man es sich oft nicht leisten, etwas einfach auszuprobieren und muss sich deshalb zwangsläufig vorher systematisch Gedanken über Themen wie Laufzeitkomplexität und Korrektheit machen. Negativ war ich davon überrascht, dass das Feedback von talentierten Entwicklern nicht immer in der Projektleitung gehört wird. Gerade Unternehmen, die möglichst fähige Mitarbeiter haben und halten wollen, sollten sicherstellen, dass jede durchdachte Anregung fair in Betracht gezogen wird, auch wenn nicht alles schlussendlich umgesetzt werden kann. Das ist eine Herausforderung, sollte aber in unserer Branche aus meiner Sicht der Standard sein.
(Stand: August 2018)