Oliver Scholz, Studium Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau (2007-2010 und 2011-2013), ist heute Geschäftsführer der soLEAN GmbH – Trainingscenter für Führung & Prozessverbesserung in Leipzig. Im Alumni-Interview berichtet er von prägenden Vorbildern, der „Intimität“ in Markkleeberg (damals Sitz der Fakultät Maschinenbau & Energietechnik) und seinem Ziel, den LEAN-Gedanken noch fester zu implementieren.
Was haben Sie vor dem Studium gemacht? Warum haben Sie sich entschieden, an der HTWK zu studieren?
Oliver Scholz: Direkt nach dem Abitur habe ich mich entschlossen, nicht in den Familienbetrieb einzusteigen, sondern meinen eigenen Weg zu gehen und neue Erfahrungen zu machen. Meine große Liebe waren – und sind – Autos. Deshalb wollte ich die Technik dahinter weiter verstehen und wissen, wie man sie wirtschaftlich in Masse produziert. Ich wollte praxisnah und in einer schönen Stadt studieren – da gab es nur eine Option: die HTWK in Leipzig.
An welches Detail an der HTWK Leipzig können Sie sich gut erinnern und warum?
Der erste Studientag war besonders für mich, denn ich stand in der Karli und habe den Raum M205 für die Auftaktvorlesung gesucht. Ich war etwas spät dran – ich hatte mir extra eine Wohnung in der Nähe der HTWK gesucht, hatte den Weg aber doch unterschätzt. Voller Entsetzen musste ich feststellen, dass die Fakultät ME nicht in der Südvorstadt sitzt, sondern in Markkleeberg. Also rein in den Bus und der schöne Campus war erstmal Ade. Dieser gefühlte Nachteil sollte sich jedoch bald als riesiger Vorteil entpuppen, denn der etwas verschlafen anmutende „Außenstützpunkt“ hatte es durch die Intimität und Gemeinschaft in sich. Dazu war der Cossi in der vorlesungsfreien Zeit auch nicht schlecht und immer eine alternative Lernmöglichkeit.
Welches Erlebnis/welche Erfahrung im Studium hat Sie nachhaltig geprägt?
Frau Prof. Hentschel. Sie war für mich eine wahre Mentorin. Egal, ob während der Vorlesung, durch viele persönliche Erfahrungen und Ratschläge oder in der Zeit der Bachelorarbeit bei BMW, sie hat stetig den Druck an der richtigen Stelle erhöht, damit man an seine Grenzen kommt und aus seiner Zeit an der HTWK echt was macht. Wir sind noch heute eng in Kontakt.
Auf welche Erfahrung hätten Sie gern verzichtet?
Leider muss man auch sagen, dass die HTWK nicht nur Vorzüge hatte, denn Abstimmungsprobleme zwischen einigen Professoren und Fakultäten haben auch manchen Studenten zwischen den Stühlen stehen lassen. Es hat sich aber immer eine Lösung gefunden.
Wie hat das Studium Sie auf Ihre heutige Tätigkeit vorbereitet?
Die HTWK hat mich sehr gut auf mein Berufsleben vorbereitet, denn die praxisnahen Vorlesungen mit vielen Beispielen und der Austausch in kleinen Lerngruppen haben mir ein festes Fundament ermöglicht, auf das ich gut aufbauen konnte. Darüber hinaus hat sich durch das „Lernen“ in der einen oder anderen Leipziger Bar ein gutes Netzwerk etabliert, das ich heute noch schätze und man hat Freunde fürs Leben gefunden. Auch meinen Berufseinstieg nach dem Bachelor bei BMW und mein paralleles Studium während meiner Vollzeitstelle als LEAN-Projektleiter bei BMW hat die HTWK nicht blockiert, sondern unterstützt. Das permanente Wechseln zwischen Theorie und Praxis in der Vorlesung war geistig zwar anspruchsvoll, aber unglaublich lehrreich. Diese Erfahrung will ich selbst auch heute den Studenten mitgeben und versuche immer, in meinem eigenen Unternehmen einen HTWK-Werkstudenten auszubilden und selbst Vorlesungen an der HTWK zu halten, um Praxiswissen weiterzugeben.
Wie sind Sie auf ihren ersten Job aufmerksam geworden?
Ich war dank Prof. Hentschel im Rahmen der Vorlesung Produktionsplanung bei einer Werksbesichtigung bei BMW. Dort kam ich mit Führungskräften von BMW ins Gespräch. Der Rest ist Geschichte und hat Riesenspaß gemacht.
Und die Schritte danach?
Nach einiger Zeit dort bin ich in die Geschäftsführung eines IT-Unternehmens gewechselt, auf Grund meiner Spezialisierung auf die Themen LEAN Management und LEAN Leadership. Diese Aufbruchsstimmung in der IT-Branche hat mich dazu ermutigt, nach 2 Jahren mein eigenes Unternehmen, die soLEAN GmbH, zu gründen.
Wie sieht heute ein typischer Arbeitstag aus?
Ich unterstütze Mittelständler, bessere Prozesse und Strukturen aufzubauen. Deshalb verläuft jeder Tag anders. Ich bin jeden Tag in einem anderen Unternehmen und baue und schraube dort zusammen mit der Führungsmannschaft an deren Unternehmensentwicklung. Dabei hilft das technische Verständnis, welches ich als Ingenieur an der HTWK erlangt habe, enorm. Darüber hinaus bilde ich jeden Tag Menschen aus, wie sie ihr Unternehmen stets ein bisschen besser machen. Die Unternehmensgründung war sicher eine große Herausforderung. Der Schritt, sein eigenes Unternehmen zu gründen und aufzubauen, ist etwas ganz Besonderes. Es ist wie ein Kind, das abhängig von einem ist und was man täglich ernähren und entwickeln muss. Viele meiner heutigen Herangehensweisen und Denkweisen gehen auf mein Bachelor- und Masterstudium an der HTWK zurück. Denn ein Unternehmen zu führen heißt, sich täglich 1000 Mal zu entscheiden. Das geht nur, wenn man in der Lage ist, sich und sein Unternehmen ständig zu reflektieren. Diese Eigenschaft haben gerade Frau Prof. Hentschel oder Prof. Fischer in Ihren Vorlesungen immer wieder aus uns herausgekitzelt. Danke dafür.
Was wird Ihre nächste berufliche Station sein?
Die soLEAN GmbH wächst immer weiter. Mein Ziel ist es, ein Kompetenzzentrum für LEAN-Management in Sachsen aufzubauen und fest zu etablieren. Aus dem LEAN-Gedanken soll eine feste Bewegung im Unternehmertum werden, nicht nur eine Ansammlung von Methoden.
Welche Erfahrungen aus Ihrem Studium konnten Sie mit in Ihr Berufsleben nehmen?
„Studieren heißt sich bemühen“, meinte unser Dekan in der ersten Vorlesung. Es reicht nicht, einfach nur dabei zu sein oder mitzuschwimmen. Mach es zu deiner Aufgabe und hänge dich rein, damit du immer ein wenig besser bist, dann wird es dir auch extrem viel Spaß machen. Außerdem habe ich mitgenommen: Hinter jedem starken Mann steht eine mindestens so starke Frau.
Welchen Ratschlag würden Sie Studierenden Ihres Faches aus heutiger Sicht geben?
Genießt diese Zeit und macht alles mit. Lernen ist das Eine, aber das Aufbauen von Netzwerken und Ausprobieren von allen Dingen ist das Wichtigste. Denn draus lernt ihr nicht nur für die Prüfung, sondern für das Leben, und darauf soll das Studium vorbereiten. Nicht Bulimie-Lernen, sondern Problemstellungen lösen. Und das bedeutet: sich anstrengen, reinhängen, wieder aufstehen, durchziehen und Erfolge gemeinsam genießen.
Stand: Juni 2019