Volkshochschule, mitten im Leipziger Zentrum. Im dritten Stock steckt Lothar Rödiger (69) seinen Schlüssel in ein Türschloss und dreht ihn herum. Raum 330 ist offen. Eine Sommerferienwoche lang hat die HTWK Leipzig eine inoffizielle Außenstelle mehr.
Raum 330 ist ein Computerkabinett. Andreas Saupe (28) lässt sich in Reihe 1 nieder. Nach ihm, der im Masterstudiengang Elektrotechnik und Informationstechnik studiert, betreten an diesem Montagmorgen sechs Kommilitonen den Raum. Drei weiblich, drei männlich.
„Aus mehreren Fakultäten!“, sagt Ludwig Finster, hörbar stolz auf die erfolgreiche Akquise über Fächergrenzen hinweg. Der Projektmitarbeiter koordiniert für die Hochschule den gleich startenden AutoCAD-Lehrgang (und etliche weiterer solcher Zusatzqualifikations-Angebote). Auch er hat sich in der campusfernen „330“ eingefunden, allerdings nur kurz: Finster eröffnet die Schulung im Namen der HTWK Leipzig, wünscht gutes Gelingen und verabschiedet sich gleich wieder.
„Die kostenfreien Schulungen in der vorlesungsfreien Zeit machen wir jetzt zum zweiten Mal – wir haben offensichtlich einen Nerv getroffen“, sagt Finster.
Erfreulich: 80 Prozent haben nach dem Auftakt an der Online-Evaluierung teilgenommen, gaben dabei sehr qualifiziert Auskunft. „Eine Wahnsinns-quote! Übrigens: Wir hatten auch Themenwünsche abgefragt – und genau dieser Kurs resultiert aus einem solchen mehrfach geäußerten Wunsch.“ Die Nachfrage war sogar so hoch, dass im Sommer 2018 gleich zwei CAD-Lehrgänge starten. Das rechnerbasierte Konstruieren (CAD für engl. computer-aided design) nutzen Architekten, Bau- und sonstige Ingenieure, bevor sie ihre Modelle in der Praxis realisieren. Es ist die digitale Variante vom „Reißbrett“.
Selber Ort, 48 Stunden später: Lothar Rödiger, der Dozent, ist mit „seinen“ Studierenden auf Kurs in die zweite Halbzeit. In Reihe 1 ist am Rechner von Andreas Saupe ein Modell eines Straßenzugs entstanden. Eine sehr grobe Draufsicht zeigt Grundrisse mehrerer Gebäude und eine Einmündung. Auf den ersten Blick eher schlicht! Doch der Mehrwert steckt im Unsichtbaren.
Der „Analog-Saupe von vorgestern“ hätte nun zum Bleistift gegriffen, auf viel Papier neben dieselbe Abbildung auch Maße und Maßstäbe kritzeln müssen. Der Digital-Saupe von heute klickt sich durch Eingabemasken, verpasst jedem noch so kleinen Bestandteil relevante Angaben. Wie lang? Wie hoch? Wie schwer? Welcher Winkel? Welche Ausrichtung? Erst einmal nur zweidimensional – aber CAD-Programme können auch 3D. Für den Konstrukteur sind sie so wichtig wie für den Koch der Löffel.
„Ich brauche das im Betrieb“, sagt Andreas Saupe. Er kam als Handwerksmeister zum Studium, jobbt nebenbei weiter für „seinen“ Ausbildungsbetrieb, einen Elektrotechnik-Mittelständler aus Frohburg. Und könnte nach seinem Masterabschluss wohl als Planer dort weitermachen.
Auf die aktuelle Version eingestellt
Das Programm kennt Saupe schon, dessen Feinheiten aber nicht. Vor Ort spart der Student nicht mit Lob: „Der Dozent ist kompetent. Er vermittelt, was ich wissen will und ist merklich interessiert dran, dass das Gesagte auch rüberkommt. Er erzählt nicht 20 Jahre lang dasselbe, sondern ist auf die aktuelle Version eingestellt.“
Lothar Rödiger hört das gern. Seit 1996 erklärt der Maschinenbauingenieur CAD-Software in Volkshochschulkursen. Aber als „Auftragsarbeit“ für die HTWK Leipzig, das ist für ihn neu.
„Sehr angenehm, weil die Gruppe recht homogen ist, sich mit der Materie schon auskennt und dazu eine hohe Motivation mitbringt“, meint Rödiger.
Die hier versammelte Jugend sei eine Bereicherung für ihn, den 69-Jährigen, der das hochkomplexe Programm AutoCAD schon seit DDR-Zeiten kennt („Das war damals Embargoware! Aber wir haben seinerzeit schon Mittel und Wege gefunden…“).
Wenn Rödiger am Freitagnachmittag „die 330“ zuschließt, wird Andreas Saupe „nur“ eine Teilnahmebestätigung in Händen halten. Später, bei Qualitätsmanagement, dem zweiten von ihm gebuchten Zusatz-Lehrgang in diesem Sommer, gibt es am Ende ein Zertifikat. „Ein handfester Benefit“, urteilt der Student: „Das wird in den Betrieben richtig als Qualifikation gebraucht. Echt schön, dass die Hochschule das möglich macht. Da opfere ich gern eine Woche Semesterferien.“
(Autor: Reinhard Franke)