Alumni-Geschichten: Iris Wolke-Haupt studierte 1985-1990 an der TH Leipzig Bauingenieurwesen. Nach verschiedenen Stationen in der Immobilien- und Bauwirtschaft ist sie seit 2017 technische Geschäftsführerin der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB). Dort arbeitet sie mit daran, dass das Wohnungsangebot in Leipzig mit dem Wachstum der Stadt Schritt halten kann. Im Alumni-Interview berichtet sie von Prägungen, Veränderungen, „echten Originalen“ im Studium und der Notwendigkeit, offen für neue Wege zu bleiben.
Warum haben Sie an der Technischen Hochschule Leipzig studiert?
Iris Wolke-Haupt: Ich durfte nicht direkt Abitur an der EOS machen. Das konnte einem passieren in den 1980er Jahren in der DDR. Nach dem Protest meiner Eltern durfte ich mich dann immerhin nach der POS, also der 10. Klasse, für eine Berufsausbildung mit Abitur entscheiden: entweder Zerspaner, Gießereifacharbeiter, Fachverkäuferin oder Baufacharbeiter… was für eine Auswahl (lacht). Davon konnte ich mir jedenfalls Baufacharbeiter am besten vorstellen. Im Nachhinein war diese Wahl das Beste, was mir passieren konnte, eine hervorragende Basis. Danach war der Weg zum Studium frei: für Bauingenieurwesen an der TH Leipzig.
Welche Erlebnisse oder Personen im Studium haben Sie nachhaltig geprägt?
Wolke-Haupt: Ingenieurwissenschaft ist ja eine zutiefst analytische Disziplin. Auch wenn ich manche Fächer später in der Praxis nicht direkt gebraucht habe: Diese Art, Dinge zu denken und zu strukturieren, die hat mich geprägt. Und natürlich war das Studium auch getragen durch die Persönlichkeiten der Hochschullehrer.
Durch wen zum Beispiel?
Wolke-Haupt: Ich erinnere mich gut an Prof. Günter Clemens, bei ihm hatten wir technische Mechanik. Der war so ein Urgestein, ein Original. Er entwickelte seine Skripte und Zeichnungen live während der Vorlesung, auf einer Folie am Polylux. Aber auch Prof. Horst Sahlmann, Baustatik, um nur einige Beispiele zu nennen – das waren markante Persönlichkeiten.
Sie haben Ihr Diplom 1990 gemacht, das war mitten in der Wendezeit.
Wolke-Haupt: Richtig. Bei aller Euphorie und Unsicherheit, zwischen denen wir damals schwankten: Die Statik ist gesellschaftlich unabhängig, und ein Träger auf zwei Stützen wird im Sozialismus wie in der Marktwirtschaft gleich berechnet. Das war für uns Ingenieure sicher ein Vorteil. Tatsächlich habe ich noch eine Hauptprüfung in ML, also Marxismus-Leninismus, gehabt, die Note tauchte dann schon nicht mehr in meinem Abschlusszeugnis auf.
Wie ging es bei Ihnen in all den Veränderungen weiter?
Wolke-Haupt: Ich habe die Chance und die nun offene Grenze genutzt und bin trotz anderer Angebote erst einmal „in den Westen“ nach Stuttgart gegangen. Ich war anfangs in einem Architekturbüro, dann bei einem Generalunternehmer, als Bauleiter. Die Umstellung von TGL auf DIN ging schnell – im Wesentlichen habe ich auch bei den folgenden beruflichen Stationen meine Erfahrungen und mein Wissen in der Praxis erweitert. Ich konnte beispielsweise an der Sanierung prägender denkmalgeschützter Gebäude mitarbeiten oder der Geländeregulierung für das Leipziger BMW-Werk mitwirken – damals wurden in Rekordzeit im Winter gigantische 4 Millionen Kubikmeter Erde bewegt, damit die Grundsteinlegung rechtzeitig stattfinden konnte.
Sie waren auf verschiedenen Stationen in der Bau- und Immobilienbranche – was ist Ihre heutige Aufgabe?
Wolke-Haupt: Ich habe sowohl auf Dienstleister- als auch Eigentümerseite gearbeitet, war zuletzt in leitender Position bei einem großen Dienstleistungs- und Servicekonzern in Frankfurt/Main. Seit 2017 bin ich technische Geschäftsführerin der LWB, der kommunalen Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft. Irgendwie passte das alles, und die Aufgabe reizte mich. Leipzig wächst, und als kommunales Unternehmen haben wir auch die soziale Verantwortung im Blick. Wir müssen nachhaltig bauen und dabei trotzdem bei den - im landesweiten Vergleich - niedrigen Leipziger Einkommensverhältnissen erschwinglich vermieten.
Was sind Ihre aktuellen Aufgaben als technische Geschäftsführerin?
Wolke-Haupt: Ich bin vor allem für die Bereiche Hausbewirtschaftung, Bau und Bestandsmanagement zuständig. Die Herausforderung ist jetzt, nach Jahren der Konsolidierung recht schnell in Richtung Wachstum vor allem durch Neubau zu gehen, ohne das Unternehmen langfristig aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dazu habe ich die internen Strukturen mit der Konzentration auf Kernkompetenzen angepasst. Zusätzlich gibt es eine neue Abteilung, die sich ausschließlich um Neubauprojekte kümmert. Der Ansatz dabei: Wir lassen die Wertschöpfungstiefe bei uns momentan so gering wie möglich, um nicht zu viele Ressourcen aufzubauen bzw. auch mit Blick auf den aktuellen Fachkräftemangel. Allein dieses Jahr starten bis zu zehn Neubauvorhaben. Dazu sind, neben dem Entwickeln von Möglichkeiten zum seriellen und kostengünstigen Bauen, auch die Standardisierung und Typisierung von Grundrissen ein großes Thema – sozusagen der Siedlungsbau 4.0.
Was würden Sie Studierenden heute raten?
Wolke-Haupt: Geht auf die Walz! Geht in andere Städte und Länder, schaut euch dort um, erweitert euren Horizont. Das hält beweglich, auch später. Diese Offenheit im Denken ist wichtig, um neue Lösungen finden zu können. Sonst fährt man sich irgendwann auf den bekannten Wegen fest.
(März 2018)