HTWK-Nachwuchsforscherin Dr. Friederike Frieler überzeugt beim Ideenwettbewerb für Soziale Innovationen des BMBF
Über 240.000 Personen waren laut Angaben des Bundeskriminalamtes im Jahr 2022 von häuslicher Gewalt betroffen – Tendenz steigend. Die Zahl der nicht polizeilich erfassten Fälle dürfte weit höher liegen. Zu über 70 Prozent sind die Opfer Frauen und Mädchen; über 75 Prozent der Täterinnen und Täter sind männlich. Zunehmend mehr Betroffene suchen inzwischen auch Hilfe und Beratung. Doch verfügen beispielsweise Frauenhäuser nicht über ausreichend Kapazitäten, um dem wachsenden Bedarf der Schutzsuchenden nachzukommen. Die Folge: Vermehrt verbleiben diese wegen Platzmangels in Gewaltbeziehungen oder begeben sich in andere unsichere Wohnsituationen bis hin zur Obdachlosigkeit. „Eine Lösung könnte sein, eine Vermittlungsstelle einzurichten, um leichter passenden Wohnraum zu finden“, so Dr. Friederike Frieler, Nachwuchsforscherin an der HTWK Leipzig und Mitarbeiterin im Projekt „HOME“, in dem sie zur Prävention häuslicher Gewalt mit Schwerpunkt Wohnraumversorgung forscht.
Eine Vermittlungsstelle könnte den Opfern häuslicher Gewalt sowie den Frauenhäusern und deren Mitarbeitenden im Austausch zwischen Wohnraumgebenden, Gewaltschutzsystem und Betroffenen helfen. Frieler weiß: „Betroffene haben mit Vorurteilen zu kämpfen. So machen sich Vermieterinnen und Vermieter beispielsweise Sorgen, ob Täterinnen und Täter dann vor der Tür stehen und wieder Gewalt anwenden oder dass Betroffene zu wenig Geld haben, um regelmäßig Miete zu zahlen oder ihr Aufenthaltsstatus ungeklärt ist.“
Idee überzeugt beim Pitch
Ihren Lösungsvorschlag reichte Frieler im Ideenwettbewerb für Soziale Innovationen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ein. Diesen rief das Ministerium zuletzt im Oktober 2023 in der Förderrichtlinie „Gesellschaft der Innovationen – Impact Challenge an Hochschulen“ aus. Mit dem Wettbewerb fördert der Staat soziale Innovationen, die aus dem Hochschulkontext heraus in die gesamte Gesellschaft wirken sollen. Denn diese tragen dazu bei, Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu finden, helfen benachteiligten oder hilfsbedürftigen Menschen und wollen unsere Umwelt schützen, indem neue Verhaltens- und Handlungsmuster entstehen. Die Bandbreite an Beispielen ist groß: seien es Tausch- und Teilangebote wie Car- oder Food-Sharing, Parking Days, Demokratie-Cafés, oder Mehrgenerationenhäuser.
Ende November 2023 präsentierte Frieler ihre Idee in einem kurzen Pitch beim Matchathon des BMBF, einer Vernetzungsveranstaltung für Studierende, Promovierende und Nachwuchsforschende. – Mit Erfolg: Sie gewann ein Preisgeld in Höhe von 12.500 Euro und erarbeitet damit zusammen mit der Leipziger Kontaktstelle Wohnen, einem Verein der bisher Geflüchtete bei der Wohnraumsuche unterstützt, bis Mitte April ein Konzept. Bis zu 20 Konzepte werden dann für eine Förderung ausgewählt. Gehört sie zu den Auserwählten wird auch sie ihre Idee umsetzen können. Frieler: „Mit einer Förderung könnte ich gemeinsam mit Partnern ein Jahr lang eine Vermittlungsstelle in Leipzig erproben.“
Ankündigung: Film und Gespräch am 15. April 2024
Zum Thema Häusliche Gewalt lädt die Cinémathèque Leipzig (Karl-Liebknecht-Str. 109) am 15. April 2024 zu einer Filmvorführung mit anschließender Diskussion. In dem Dokumentarfilm „Zuflucht nehmen“ von 2023 zeigen die Protagonistinnen, dass verschiedene strukturelle Probleme die Situation von gewaltbetroffenen Frauen beeinflussen. Der angespannte Berliner Wohnungsmarkt spielt dabei eine zentrale Rolle. Er hat nicht nur einen Mangel an Schutzplätzen zur Folge, auf die gewaltbetroffene Frauen angewiesen sind. Ebenso geht damit der Verlust von bereits bestehenden Zufluchtsräumen infolge von Gentrifizierung durch Kündigungen, Mietsteigerungen und anderen Verdrängungsprozessen einher.
Zur Vorführung und Diskussion wird unter anderem die Regisseurin des Films, Selina Höfner, anwesend sein. Die Filmvorführung ist eine Kooperation der HTWK Leipzig, dem Verein Frauen für Frauen und der Kontaktstelle Wohnen (Zusammen e.V.).
Beginn der Filmvorführung ist um 18:30 Uhr, im Anschluss Gesprächsrunde; Eintritt frei, Spende erwünscht.
Zum Trailer: www.zufluchtnehmen.de