Zwei Promovenden aus Neapel zu Gast an der HTWK Leipzig: Über Plattenbauten, Drohnen, Weihnachtsmärkte und Lieblingsitaliener
Nein, eine Italienflagge ist im Büro von Monica Rossi nicht zu sehen. Allerdings hat die aus Italien stammende Professorin der Fakultät Bauwesen hoch oben im Geutebrück-Bau gleich zwei Landsleute um sich versammelt: Marina Block (30) und Christian Musella (25). Beide kommen aus Neapel, beide schreiben hier an ihrer Doktorarbeit.
„Obbligatorio!“, sagt Marina Block auf Italienisch und meint damit, dass die Promovenden der Università degli Studi di Napoli Federico II für ihr Vorhaben zwingend ins Ausland müssen, wenigstens für sechs Monate. Die 30-Jährige bleibt ein Jahr. Ihr gefällt es hier, und auch organisatorisch spricht nichts dagegen.
Auch Christian Musella ist seit September in Leipzig, teilt seinen 7-monatigen Aufenthalt aber in zwei kürzere HTWK-Episoden. Und noch etwas unterscheidet die beiden Gäste: Aus derselben Fakultät kommen sie nicht. Denn an Neapels riesiger Universität (78.000 Studierende) sind Architektur (Block) und Bauwesen (Musella) ebenfalls „zwei Paar Schuhe“, wenn auch historisch ganz anders begründet.
Zweierlei verbindet die Italiener aber in Leipzig: Erstens die digitale Bauplanungsmethode BIM – und zweitens Monica Rossi. Die engagierte Professorin nämlich hat die internationale Kooperation zwischen den Hochschulen (siehe Infobox) nicht nur ins Leben gerufen, sondern zugleich mit Leben gefüllt. Musella und Block sind der Beweis dafür. Und beide sind – wie Rossi eben auch – Experten für ein zukunftsträchtiges Spezialthema: Bauen und Sanieren vollständig digital zu planen, mit 3-D-Modellen und viel Teamwork bis hin zu der Chance, Gebäude später auch online zu verwalten.
Jetzt BIMmelt es mit einem Hauch Italien
„Ich habe selbst in Neapel promoviert“, sagt Monica Rossi. „Schon zu meiner Zeit waren Auslandsaufenthalte gern gesehen. Da lag es nahe, in Italien auf Suche nach Hochschulpartnerschaften zu gehen.“ Kaum ein Jahr nach dem Start der Kooperation ist Rossi die „deutsche“ Gutachterin der beiden Promovenden – und kommt nicht um ein Lachen herum, als sie den Begriff Doktormutter in ihre Muttersprache übersetzt.
Nun BIMmelt es in Leipzig also mit einem Hauch Italien. Bei Marina Block gilt: Nomen est omen – sie kümmert sich um einen Wohnblock. Der steht im Leipziger Süden, unweit des bekannten Lößniger „Rundlings“, und gehört der Leipziger Wohn- und Baugesellschaft (LWB). Als sie in Rossis Büro auf ihr Thema zu sprechen kommt, fällt mitten in einer Minute temporeicher italienischer Erläuterung plötzlich die Vokabel „Plattenbau“. Aha, die Vokabel hat es aus der DDR also in den Export geschafft!
Jedenfalls: Für die Häuserzeile gibt es nur zweidimensionale Grundrisse, auf deren Basis die LWB Sanierungen umsetzt. Die Italienerin prüft nun mit ihrer Doktorarbeit, ob dafür stattdessen BIM als Methode in Frage käme. Parallel gehen Studien mit ähnlichen Gebäuden aus Neapel in die Arbeit ein – man kann Unterschiede und Gemeinsamkeiten gut darstellen und herausarbeiten.
Christian Musella ist in zwei Projekten involviert. Für DB Immobilien, eine Tochterfirma der Deutschen Bahn AG, arbeitet er an einer Fallstudie zu einem Leipziger Bürogebäude. Musellas Nr. 2 ist dagegen „inhouse“: Bei einem von Rossis Kollegen, Prof. Ulrich Weferling, geht es – teilweise gemeinsam mit Studierenden – um Bauaufnahmen mit einer Drohne und per Laserscanner. „Zugriff auf solche technischen Möglichkeiten hatte ich daheim in meiner Fakultät nicht“, schildert der Doktorand begeistert.
„Sehr herzliche Atmosphäre, prima Empfang“, schildert der 25-Jährige über das Arbeiten mit der und an der HTWK Leipzig. Kommuniziert werde allseits in Englisch. (Nun ja, außer in den wöchentlichen Meetings mit Rossi. Da gibt es ja eine naheliegendere Option…).
Themenwechsel. Freizeit, das gibt es auch. Die Region erkunden die beiden Italiener gemeinsam. Rossi hat es geschafft, sie im selben Wohnheim unterzubringen. In Lößnig, ganz in der Nähe vom „Block-Block“ („Nein, ich sehe den nicht vom Fenster aus!“). Dort sind viele Erasmus-Studenten, und kurz vor Weihnachten sind die Italiener dran mit Kochen für die Etage. Hmmh, buon appetito!
Ach ja, Essen. Hat man da eigentlich einen „Lieblingsitaliener“? Wahrscheinlich nicht! „Doch, doch!“, ruft Marina Block dazwischen. Da Salvo am Bayerischen Bahnhof. Auch wenn der Wirt aus Bergamo komme… (Anm. der Redaktion: Das ist Norditalien – was einen feinen Unterschied macht:-)
Und apropos Weihnachten: Der dazugehörige Markt auf dem Markt rangiert in der Block-Musella-Lieblingsort-Beliebtheitsskala weit oben, gleichauf mit dem Clara-Zetkin-Park. Etwas Vergleichbares gebe es in Neapel nicht – wohingegen dort allerdings ein ganzer Straßenzug voll mit Krippenfiguren zum Selbstgestalten existiere. Man ist halt näher dran am Vatikan.
So, und jetzt mal burro bei die Fische: Was ist in ein paar Jahren? Frau Dr. Block? Herr Dr. Musella? Beide lachen: Das wissen sie noch nicht. Man sei ja noch jung. Deutschland – könne schon sein. Hier weiter forschen, vielleicht. Der Leipzig-Auftakt sei jedenfalls Werbung für mehr. Und Doktormutter Rossi? Arbeitet schon jetzt in Sachen BIM eifrig am Netzwerk-Ausbau im Mittelmeerraum. Die Rede ist vom mittelitalienischen Ascoli (ihr Heimat- und Studienort), von Jordanien und Ägypten.
Autor: Reinhard Franke
Die Kooperationsvereinbarung, ...
... die dieser HTWK.story zugrunde liegt, existiert seit 2017. Ihr Langtitel ist definitiv nix für den Fließtext: „INNOVATION IN ARCHITECTURE DESIGN AND CONSTRUCTION, particularly in TECHNOLOGICAL ENVIRONMENTAL DESIGN and BUILDING INFORMATION MODELING“
Übrigens: Der Professor aus Neapel, ...
... der auf italienischer Seite das Agreement auf den Weg gebracht hat, heißt Sergio Russo Ermolli. Und es ist PURER ZUFALL, dass er genau heute, am Veröffentlichungstag dieser HTWK.story (12.12.2018), eine Vorlesung zu Building Information Modeling in einem Modul an der Fakultät Bauwesen hält.