Ozeane voller Müll. Das Bild ist nicht neu, aber nach politischen Verbotsvorstößen für manche Plastik-Dinge besonders im Medienfokus. Die Aufmerksamkeit ist berechtigt, findet Professor Lutz Engisch, Experte für Verpackungswerkstoffe. Im Interview rät er allerdings, den Blick auf die Gesamtumstände zu richten.
Gibt es wirklich zu viel Plastik auf der Welt?
Prof. Lutz Engisch: Auf diese einfache Frage gibt es leider keine einfache Antwort. Tendenziell würde ich sagen: „Ja, aber….“ Neulich sah ich ein einzelnes in Plaste verpacktes gekochtes Ei. Das braucht kein Mensch. Einwegbesteck benutzen ist oft eine Frage von Bequemlichkeit, da kann man sich auch anders organisieren. Und die vielen billigen Plastespielzeuge: schnell gekauft, schnell entsorgt. Doch selbst mit einem Bewusstseinswandel wird die moderne Gesellschaft um Kunststoff nicht herumkommen.
Warum nicht?
Weil Nachhaltigkeit eben mehr Facetten hat als die – übrigens sehr berechtigte! – Frage, was eigentlich mit dem ganzen Plastemüll passiert. Verpackte Lebensmittel sind besser geschützt, halten länger. Wenn es nur noch Glasflaschen gäbe, wären Getränke-Laster viel schwerer, belasten ebenfalls die Umwelt, nur in anderer Weise. Man muss genauer hinschauen. Gerade im globalen Handel zählen in die ökologische Gesamtbilanz viele Faktoren hinein.
Was sollte denn mit „dem ganzen Plastemüll“ passieren? Die Meere sind schon voll…
Kunststoffe sind sehr komplexe Polymerketten. Leider ist die chemische Forschung noch nicht so weit, sie wirklich wieder völlig in Einzelteile zu zerlegen. Solange das so ist, sollte man durchaus über mehr thermische Verwertung nachdenken – als Brückentechnologie.
Sie wollen das Zeug einfach verbrennen?
Letztlich ist Plaste doch ein Öl-Produkt. Momentan wird zur Energieerzeugung viel Erdöl oder Erdgas mehr oder weniger direkt aus dem Bohrloch verbrannt. Da wäre es besser, die immer noch im Kunststoff enthaltene Energie sinnvoll zu nutzen. Man könnte sagen, dass der Tropfen Öl vorm Verbrennen ein Leben als Joghurtbecher hat und dann thermisch genutzt wird.
Ist die Verpackungstechnik an der HTWK Leipzig nicht auch als Problemlöser gefragt?
Natürlich. Wir fragen, ob es Plaste sein muss. Wir fragen nach intelligentem Design. Wir fragen, wie wir recyceltes Material einsetzen. Oder wie wir den Materialmix vermeiden, der statt Recycling notwendigerweise zu Downcycling führt, weil die Qualität immer schlechter wird. Nachhaltigkeit ist in unserer Ausbildung ein wichtiger Aspekt. Wir sehen auch, dass bei unserer Studierenden-Generation das Thema tief verwurzelt ist. Und auch bei Unternehmen ist Nachhaltigkeit zunehmend Chefsache.
Das wird nicht reichen, oder?
Zuallererst wird es wichtig sein, schon bei der Entwicklung von Verpackungen an das Thema Recycling und Wiederverwertung zu denken. Wir sehen hier viele gute Ansätze in der Industrie, durch intelligentes Design der Verpackung deren Nachhaltigkeit zu verbessern. Außerdem brauchen wir verbraucherfreundliche, also einfache Pfandsysteme zugunsten einer höheren Mehrwegquote. Ein gutes Beispiel ist der Leipziger Weihnachtsmarkt mit seinen Glühweintassen. Wegwerfdinge wie Coffee-to-go-Becher gehören auf den Prüfstand. Da ist ja auch jedes Mal ein Plaste-Deckel drauf.