Medienrechtsprofessor Marc Liesching (HTWK Leipzig) analysiert in neuem Buch, ob deutsche Gesetze für Soziale Netzwerke mit Europarecht vereinbar sind
Fake News, Hass-Posts und gesetzeswidrige Inhalte in Sozialen Medien wie Facebook, Youtube und Twitter werden zunehmend zu einem Problem. Das haben auch die Bundesregierung und die Staatskanzleien der Länder erkannt – und versuchen die allesamt im EU-Ausland sitzenden Internetkonzerne durch schärfere Gesetze zu strengeren Kontrollmaßnahmen zu zwingen. Zu den geplanten Instrumenten gehören die Erweiterung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) sowie der aktuell im parlamentarischen Prozess befindliche Medienstaatsvertrag und neue Jugendschutzbestimmungen.
Doch derartige nationale Alleingänge mit dem Anspruch internationaler Geltung widersprechen europäischen Regelungen, analysiert der Medienrechtsprofessor Marc Liesching von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) in einem neuen Buch – zumindest bei Anbietern mit Sitz in anderen EU-Staaten. Dadurch, so Liesching, werden die neuen Regelungen gerade nicht für die großen Sozialen Medien wie Facebook, Youtube, Instagram oder Twitter gelten.
„Es ist nicht unwahrscheinlich, dass spätestens die noch ausstehende Befassung des Europäischen Gerichtshofs – wie zuletzt bei der deutschen Pkw-Maut – das Aus für die aktuelle deutsche Mediengesetzgebung bedeuten wird.“
Marc Liesching, Professor für Medienrecht und Medientheorie an der HTWK Leipzig
„Ebenso wie niemand in Deutschland möchte, dass nationale Gesetze in Ungarn, Polen, Italien oder Österreich deutsche Medienanbieter beschränken, müssen auch die deutschen Gesetzgeber die Grenzen des europarechtlichen Herkunftslandprinzips beachten. Sitzen Facebook, Youtube und Twitter in anderen EU-Mitgliedstaaten wie beispielsweise Irland, können Maßnahmen gegen solche Sozialen Netzwerke aufgrund deutscher Gesetze allenfalls im Einzelfall und unter engen Ausnahmevoraussetzungen erfolgen.
Das berücksichtigen Regelwerke wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz des Bundes und der Medienstaatsvertrag der Länder nicht hinreichend. Die Gesetze sind insoweit unionsrechtswidrig. Die EU-Kommission hat sich hierzu bereits kritisch geäußert und es ist nicht unwahrscheinlich, dass spätestens die noch ausstehende Befassung des Europäischen Gerichtshofs – wie zuletzt bei der deutschen Pkw-Maut – das Aus für die aktuelle deutsche Mediengesetzgebung bedeuten wird“, so Liesching.
Das Buch „Das Herkunftslandprinzip der E-Commerce-Richtlinie und seine Auswirkung auf die aktuelle Mediengesetzgebung in Deutschland“ ist im Juni im Carl Grossmann Verlag erschienen (ISBN 978-3-941159-46-4) und ist als E-Book frei im Internet abrufbar.
Es handelt sich um den ersten Band der neu gestarteten Schriftenreihe „Medienrecht und Medientheorie“, die Prof. Marc Liesching und Prof. Gabriele Hooffacker (beide HTWK Leipzig) gemeinsam herausgeben.
Autorin: Dr. Rebecca Schweier