Unsere globalisierte Arbeitswelt verändert sich immer schneller – wie kommt der arbeitende Mensch da mit? Ein Gespräch über Gegenwart und Zukunft der Arbeit mit Prof. Peter M. Wald, Personalmanagement-Experte und Initiator des jährlichen „HR Innovation Days“ an der HTWK Leipzig
Der HR Innovation Day findet seit nunmehr acht Jahren an der HTWK Leipzig statt. 2012 haben sie diese Tagung ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?
Peter M. Wald: Ich hatte 2012 in Berlin an einem Barcamp teilgenommen, also einer offenen Tagung bzw. einem Netzwerktreffen mit Workshops, deren Themen die Teilnehmenden selbst entwickeln und gestalten. Mir gefiel dieses lockere Format, so etwas wollte ich auch meinen Studierenden mit dem Schwerpunkt Personal anbieten – als andere Form der Lehrveranstaltung, wo sich interessante Leute treffen, austauschen und in „familiärer Atmosphäre“ netzwerken können. Inzwischen haben wir die „180er-Marke“ bei der Teilnehmerzahl geknackt – und damit auch die Grenze des Machbaren erreicht.
Welche Zielgruppe sprechen Sie damit an?
Das „Stammpublikum“, wenn man so will, sind 30-40 Leute aus der deutschsprachigen HR-Szene. Alle anderen, die kommen, sind immer neu dabei, hinzu kommen natürlich meine rund 40 Studierenden sowie viele Alumni. Unter den Keynote-Speakern sind auch internationale Experten, zum Beispiel aus den Niederlanden, Schweden, Ungarn und 2019 aus Kanada. Das Event richtet sich an „Personaler“, die sich für innovative Themen und neue Entwicklungen interessieren, die offen für frischen Input sind und auch selbst welchen geben wollen.
2020 folgt die nächste Auflage – mit welchem Schwerpunktthema?*
Schon 2019 war das Motto ‚Unternehmen in Bewegung bringen‘. Das möchte ich gern fortsetzen bzw. noch einmal aufgreifen, denn Bewegung ist auch im Personalmanagement wichtig: Unternehmen müssen innovativer denn je sein, um attraktiv für neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu sein. Denn die haben heute ganz konkrete Anforderungen an ihren Job und an die Firma, in der sie eventuell arbeiten werden. Wer als Unternehmen nicht in Bewegung ist und bleibt, bekommt ein Problem – ich spreche da aber ungern vom viel beschriebenen Fachkräftemangel, sondern eher von ‚Fachkräfte-Engpässen‘.
(* Termin steht noch nicht fest, meist Mai)
Was sind die aktuellen, drängenden Themen in der HR?
Wie überall: die digitale Transformation und New Work, also durch die Digitalisierung beeinflusste Veränderungen und ein neues Wertesystem für die Arbeitswelt, in dem – kurz gesagt – Handlungsfreiheit, Mitbestimmung und Teilhabe eine große Rolle spielen. Diese Idee aus den 1970er Jahren bekommt durch die Digitalisierung derzeit einen neuen Schub. Die Digitalisierung ist in der Wirtschaft schon lange auf dem Vormarsch, das ist klar. Aber bei HR war das vor allem bei den standardisierbaren Aufgaben der Fall. Neu ist die Digitalisierung in den – nennen wir es mal „anspruchsvolleren Prozessen“ von HR: Personalentwicklung und –beschaffung, Mitarbeiter-Kommunikation zum Beispiel. Größere Unternehmen in Deutschland sind da schon gut dabei, den kleinen und mittelständischen fällt es bei weitem schwerer mitzuhalten, und Startups sind naturgemäß meist die Vorreiter, wenn es um neue Lösungen auch bei HR geht.
Welche zum Beispiel?
Wir alle nutzen Smartphones mehr oder weniger intensiv. Warum also nicht Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen damit rekrutieren? Es gibt bereits Tools, bei denen sich die Interessenten zunächst einfach per Handyvideo bewerben. Das Smartphone ist natürlich nur der erste Schritt und dient allein zur Kontaktaufnahme. Das klassische Bewerbungsgespräch ist deswegen aber noch lange nicht „tot“.
In Zeiten von Fachkräfte-Engpässen wird es aber für Unternehmen mitunter schwierig, geeignetes Personal zu finden – eher als umgekehrt. Sprich, die „digital natives“ sind gar nicht mehr gezwungen, sich so anzupreisen wie noch Generationen vor ihnen, weil es einfach zu wenige von ihnen gibt. Glück für sie?
Genau, deswegen wird ja zum Beispiel „active sourcing“ – also die gezielte Suche in sozialen Netzwerken – immer wichtiger. 2019 hatten wir mit Barbara Braehmer beim HR Innovation Day erneut die Spezialistin dabei. Die Kehrseite der Situation: viele Jugendliche – so meine Erfahrung – wissen heute gar nicht mehr so recht, was sie wollen. Die Möglichkeiten scheinen unendlich, das macht es offenbar schwer, den richtigen Beruf für sich zu finden. Die so genannten Generationen Y und Z stellen auch bestimmte Ansprüche – die die Unternehmen vielleicht sogar schon erfüllen, aber oftmals nicht oder nicht genug kommunizieren. Übrigens: die beste Quelle, neue Mitarbeiter zu finden, ist in meinen Augen immer noch die persönliche Empfehlung der Beschäftigten – Stichwort: Mitarbeiter als Botschafter des Unternehmens.
Und wie kann man besagte Generationen der ab den frühen 80er bzw. Ende der 90er Jahre Geborenen heute ins Unternehmen locken?
Vor allem die Jüngeren haben relativ klare Vorstellungen davon, wie Arbeit sein soll, aber auch, was sie außerhalb der Arbeit erwarten. Sie wollen keinen „vollen Tag“ mehr, sehen ihren Lebenssinn nicht mehr so stark allein im Job wie die Generationen vor ihnen. Und sie wollen genau wissen, wofür sie arbeiten, welche Werte dahinterstehen. Sinn als Motivation wird erkennbar wichtiger. Darauf müssen sich Unternehmen einstellen und sich an diese Bedürfnisse anpassen.
Wie kann das gelingen?
„New Work“ ist da schon ein ganz gutes Stichwort. Die Selbstorganisation von Teams, hierarchiefreies Arbeiten, „New Pay“, also Vergütungsmodelle jenseits von Geld, die Suche nach dem Sinn im Beruf – all das sind Faktoren, die Einfluss darauf haben, wie wohl sich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in einem Unternehmen fühlen. Allerdings sehe ich die Gefahr, dass jetzt alles vermeintlich „Alte“ vorschnell über Bord geworfen wird. Ich bin eher ein Anhänger davon, Bekanntes zu bewahren und Neues zu fördern, auszuprobieren. Teamarbeit, Abstimmungsprozesse, Erfahrungsweitergabe – all diese bekannten Dinge sind bewahrenswert. Aber gern auch mit neuen, digitalen Tools versehen, zum Beispiel fürs Projektmanagement. Zum Teil wird das in Deutschland auch schon angewandt, aber eben noch nicht in der Breite.
Was möchten Sie Ihren Studierenden vor allem vermitteln?
„Meine“ Studierenden sollen in der Lage sein, eine (Junior)Position im Personalbereich zu übernehmen sowie die Werkzeuge der digitalen Transformation und neue Arbeitsweisen erfolgreich umzusetzen. Dafür sollen sie über „neue Demut“ verfügen: D wie digitale Kompetenzen, e wie Empathie, und den Mut besitzen, Neues zu entwickeln.
Peter M. Wald, Fakultät Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftsingenieurwesen, ist Professor für Betriebswirtschaftslehre mit dem Berufungsgebiet Personalmanagement . Mit ihm sprach Franka Platz.
Was ist HR?
HR, Human Ressources - zu Deutsch: Personalwesen bzw. Personalwirtschaft oder auch Personalmanagement - ist der Bereich der Betriebswirtschaft, der sich mit dem Produktionsfaktor Arbeit beschäftigt. Kernaufgaben sind die Bereitstellung und der zielorientierte Personaleinsatz. In der Praxis beziehen viele Unternehmen neben den Führungsprozessen auch die Interaktionen und Emotionen der Mitarbeiter ein.