Aus Vorsicht vor dem Coronavirus entfällt auch die Sonderschau Talente auf der Handwerksmesse München, auf der zwei HTWK-Alumni ihre Konstruktionsidee Swaying Straws zeigen wollten. Die gibt es im Juli wieder zu sehen
Sie hatten sich schon sehr darauf gefreut: In der kommenden Woche wollten die beiden frischgebackenen Nachwuchswissenschaftler Fabian Eidner (21) und Theodor Reinhardt (21) von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) ihre Skulptur Swaying Straws (Wiegende Halme) auf der Sonderschau Talente zeigen. Die renommierte Ausstellung ist seit vielen Jahren Teil der Internationalen Handwerksmesse in München. Sie zeigt die Ergebnisse eines internationalen Wettbewerbs für Gestaltung und Technik und richtet sich an junge Designer und gestaltungsorientierte Handwerker. Für den Wettbewerb gingen mehr als 600 Bewerbungen aus rund 50 Ländern ein. Von den 99 ausgestellten Exponaten sollten die besten acht Beiträge am 14. März 2020 mit dem Talente-Preis prämiert werden. Aufgrund der Verbreitung des Coronavirus wurden sowohl die Messe als auch die Sonderschau nun kurzfristig abgesagt. „Sehr gern hätten wir unsere Arbeit als eine von 99 Exponaten aus der ganzen Welt auf einer so bedeutenden internationalen Messe präsentiert. Umso mehr bedauern wir die Absage, haben jedoch vollstes Verständnis für die Entscheidung der Organisatoren, die nach der dringenden Empfehlung des Krisenstabs der Bayerischen Staatsregierung gehandelt haben“, so Reinhardt.
Die Skulptur Swaying Straws besteht aus insgesamt 320 schwarzen Papierstrohhalmen und 160 orangenen Verbindungselementen aus Kunststoff und sieht aus wie ein säulenförmiges Netz, das sich im Wind zu wiegen scheint. Hinter dem Designobjekt steckt eine neue Konstruktionsidee für organisch gekrümmte Gebäudefassaden. Die Innovation sind die Verbindungselemente: Sie haben alle eine individuelle Geometrie und stammen aus dem 3D-Drucker. Jeder Knoten verbindet vier gerade Stäbe. Bei Swaying Straws entsteht so eine 2,36 Meter hohe Netzstruktur mit 80 Zentimeter Durchmesser. Maßstäblich vergrößert, könnte das Netz die Unterkonstruktion für eine Fassade aus Glas-, Metall- oder Holzplatten bieten. „Ziel unserer Forschung ist es, mehrfach gekrümmte Fassaden- und Dachkonstruktionen in Zukunft mit deutlich weniger Materialeinsatz – und damit ressourcenschonender – bauen zu können. Dafür setzen wir auf eine konsequente Digitalisierung des gesamten Entwurfs-, Planungs- und Fertigungsprozesses und auf automatisierbare Verfahren wie den 3D-Druck“, sagt Alexander Stahr, Professor für Tagwerkslehre. Er hat Eidner und Reinhardt für das Projekt Swaying Straws in seine Forschungsgruppe FLEX (Forschung. Lehre. Experiment) geholt.
Noch als Studierende im Bachelor-Studiengang haben die beiden sechs Monate lang neben dem Studium an ihrer Idee gearbeitet. Erstmalig präsentiert wurde Swaying Straws bei den Messen „Rapid.Tech + FabCon 3.D“ in Erfurt und „Designers’ Open“ in Leipzig. Im Januar 2020 erhielten Eidner und Reinhardt eine „Anerkennung“ beim Bremmer-Preis, einer jährlich verliehenen Auszeichnung für die besten Entwurfsarbeiten von Architekturstudierenden der HTWK Leipzig. Vor wenigen Tagen haben beide ihr Bachelorstudium mit großem Erfolg abgeschlossen. Seit März arbeiten sie als Nachwuchswissenschaftler in der Forschungsgruppe FLEX daran, ihre Konzeptstudie in die Anwendbarkeit zu überführen. Der nächste Schritt: das Verbindungselement aus Metall statt aus Kunststoff fertigen. Bis dahin werden sie ihre Skulptur Swaying Straws auch trotz der bedauerlichen Absage der Internationalen Handwerksmesse künftig zeigen. „Die Wissenschaftler von FLEX arbeiten weiter an dem Zukunftsthema ‚3D-Druck‘ im Kontext bautechnischer Anwendungen. Die Swaying Straws werden wir das nächste Mal am 10. Juli 2020 bei der Langen Nacht der Wissenschaften an der HTWK Leipzig ausstellen“, sagt Stahr.
Die Forschungsgruppe FLEX ist Mitglied im 2018 gestarteten Co-Creation Lab „Additive Fertigung“ des Transferverbunds Saxony⁵ der fünf sächsischen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. An das Co-Creation Lab können sich Akteure aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft wenden, um gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der sächsischen Hochschulen Innovationen auf Basis neuer Fertigungsverfahren wie 3D-Druck zu entwickeln.