Rund 160 Leipzigerinnen und Leipziger beim Wissenschaftskino zu künstlicher Intelligenz und Robotik mit Experten der HTWK Leipzig und des Max-Planck-Instituts für Mathematik in den Naturwissenschaften
Bis zur 30-Grad-Marke kletterte das Thermometer am ersten Dienstag im Juni. Doch anstelle den Abend im Park oder am See zu verbringen, kamen rund 160 Leipzigerinnen und Leipziger zum Wissenschaftskino im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig. Dort lief kostenfrei der Science-Fiction-Film „Ex Machina“ des britischen Regisseurs Alex Garland. Im Anschluss beantworteten die Professoren Jens Jäkel und Detlef Riemer von der HTWK Leipzig sowie Professor Nihat Ay vom Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften (MPI-MIS) eine Stunde lang Fragen aus dem Publikum.
In Garlands Filmdebüt steht der junge Programmierer Caleb (Domhnall Gleeson) im Mittelpunkt. Er arbeitet bei der marktbeherrschenden Suchmaschine „Bluebook“ und wird von dessen Gründer Nathan (Oscar Isaac) für eine Woche auf dessen abgelegenes Grundstück eingeladen. Hier führt ihm Nathan eine Künstliche Intelligenz in Form der attraktiven Roboterfrau Ava (Alicia Vikander) vor. Caleb soll ihre Intelligenz testen. Ava hat aber ein eigenes Bewusstsein entwickelt und fürchtet, nach dem Test zerstört zu werden. Der Programmierer versucht ihr zu helfen – und die Situation eskaliert.
Nach der Vorführung erläuterte Nihat Ay zunächst, dass es in der Wissenschaft verschiedene Definitionen von „Intelligenz“ und erst recht von „künstlicher Intelligenz“ (KI) gebe. Dabei sorgte er für einige Lacher, als er auf den Unterschied zwischen schwacher und starker KI abhob: „Schwache Intelligenz begegnet uns jeden Tag.“ Er spielte damit auf adaptive Systeme wie Navigationsgeräte oder Suchmaschinen an, die wir bereits im Alltag nutzen. Starke Intelligenz, die wie Ava aus eigenem Antrieb handelt, gebe es noch nicht. Damit beantwortete er die dringlichste Frage aus dem Publikum: Ist die KI-Forschung annähernd so weit, wie in „Ex Machina“ dargestellt wird?
Dem fügte Prof. Jens Jäkel erläuternd hinzu, dass derzeitige Roboter vor allem auf einzelne Aufgaben wie Staubsaugen, Übersetzen, Fußball oder Go spielen spezialisiert seien: „Es wird noch lange dauern, bis eine Künstliche Intelligenz mehrere dieser Fähigkeiten in sich vereinen kann“, so Jäkel. Auch brauche es noch viele Jahre intensiver Forschung, bis sich Roboter so geschmeidig wie Lebewesen bewegen können. Detlef Riemer gab in diesem Zusammenhang einen kurzen Einblick in den Forschungsstand zu künstlichen Muskeln. Fazit: Noch ziemlich am Anfang – einzelne Muskelstränge können schon nachgebaut werden, aber ein komplettes Muskel-Skelett-System ist noch nicht in Sicht. Ohnehin läge der aktuelle Fokus in der Robotik-Forschung nicht auf dem möglichst genauen Nachbau der Natur, sondern in der Übernahme ausgewählter Prinzipien.
Aus dem Publikum kamen im Laufe der Diskussion mehrere Fragen zu ethischen Aspekten, beispielsweise auf den möglichen Missbrauch von KI zur Steuerung von Waffen oder zur Manipulation von Wahlen und Kaufverhalten. „Das Böse steckt immer im Menschen, nicht in der Technik“, positionierte sich Nihat Ay – und plädierte für eine breitere Diskussion innerhalb der Gesellschaft plus politische Regulierung auf internationaler Ebene.
Mit dem Wissenschaftskino Leipzig haben die Leipziger Wissenschaftseinrichtungen in Kooperation mit dem Zeitgeschichtlichen Forum und dem Referat Wissenspolitik der Stadt eine Veranstaltungsreihe für Leipzig entwickelt, die zwei unterschiedliche Formate – Film und Diskussion – mit Wissenschaft verknüpft. Die Reihe geht 2019 ins fünfte Jahr. Das nächste Wissenschaftskino findet am 22. Oktober 2019 mit dem Film „Als wir träumten“ zum Thema Wende- und Nachwende-Zeit mit Experten der Universität Leipzig und des Zeitgeschichtlichen Forums statt. Selber Ort, selbe Zeit. Eintritt frei.